Blutige Rosen
nach hinten.
»Aber eins schwöre ich Ihnen, Oberinspektor. Diesen Mörder werden wir kriegen, und dann Gnade ihm Gott.«
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Rachetour auf eigene Faust. So etwas bringt nichts.«
»Nichts, sagen Sie?« Er nickte wild. »Doch, es bringt etwas. Diese verdammten Halunken sollen merken, dass mit uns nicht zu spaßen ist«, knirschte er. »Nichts gegen Sie oder Ihre Kollegen. Aber manchmal sind wir besser als die Polizei.«
»Sie begeben sich nicht nur auf ein gefährliches Pflaster, Jack, Sie machen sich gleichzeitig noch unglücklich, glauben Sie mir. Ein privater Rachefeldzug hat noch keinem etwas genützt. Ich habe da meine Erfahrungen.«
»Sie reden wie alle Bullen!«
»Jack, lassen Sie es nicht soweit kommen, dass Sie sich auch gegen uns stellen. Noch haben Sie das Wohlwollen der Polizei. Ich verspreche Ihnen, dass ich den Mörder finde.«
Er lachte bitter und warf seinen Kopf zurück. »Was glauben Sie, wie oft ich das schon gehört habe. Zahlreiche Bullen haben mir erzählt, dass sie die Dealer schnappen wollen. Was ist dabei herausgekommen? Nichts. Die Rauschgifthändler laufen nach wie vor frei herum und verkaufen ihr verdammtes Gift. Unsere Methoden sind da besser, und ich spreche auch aus Erfahrung.«
»Wenn es nun kein Dealer war?«
»Wieso?«
»Es ist möglich, dass jemand anderer der Mörder von Lilian Day ist. Oder nicht?«
»Wer sollte denn ein Interesse daran haben, sie zu töten?«
»Sie wissen selbst, mit welchen Fällen ich mich beschäftige.«
»Ja, mit irgendwelchem okkulten Kram.«
»Genau, bleiben wir ruhig dabei. Dieser okkulte Kram kann sehr gefährlich werden. Ich meine dies nicht nur, sondern bin sogar überzeugt davon, dass ganz andere Personen hinter dem Mord an Lilian Day stecken. Eine gefährliche Gruppe, die ich zu bekämpfen habe und die vielleicht sogar mit den Weißen Engeln in Verbindung steht.«
Jack holte tief Luft. »Wissen Sie eigentlich, was Sie da gesagt haben?«
»Das weiß ich.«
»Sie unterstellen mir tatsächlich, dass meine Gruppe mit irgendwelchen Mördern zusammenarbeitet. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Wenn Sie kein Polizist wären, dann…«
»Beruhigen Sie sich«, erwiderte ich. »Bleiben Sie ganz ruhig, Jack.«
Seine Haltung hatte sich gestrafft. Er sah aus, als wollte er mir an die Kehle. Plötzlich machte er auf dem Absatz kehrt und rannte davon. Ich rief ihm noch nach, doch er wollte nicht hören.
Nachdenklich hob ich die Schultern. Es hatte einmal so weit kommen müssen. Diese Gruppen, so ehrenvoll ihre Aufgabe auch war, drehten durch, wenn ein Gewaltverbrechen an einem ihrer Mitglieder verübt wurde. So begaben sie sich ins Abseits.
Auch die Mordkommission dampfte wieder ab. Zurück blieb ich. Mein Bentley stand wie verloren auf der Verkehrsinsel des U-Bahn-Eingangs. Allmählich verstreuten sich auch die Neugierigen.
Ich ging zu meinem Wagen und setzte mich hinter das Lenkrad. Der Besuch bei Jack Adrian hatte sich wirklich gelohnt, denn meiner Ansicht nach hielt ich den Anfang eines roten Fadens in der Hand. Und dieser Anfang hatte einen Namen.
Harry Goring. Sein Vater züchtete Blumen. Er war Jacks Aussage nach einer der größten Gärtner Englands. Es musste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich ihn nicht fand.
Ein Telefonbuch hatte ich natürlich nicht griffbereit, deshalb setzte ich mich mit unserer Zentrale in Verbindung und ließ mir die Adresse der Familie Goring heraussuchen. Es gab zwei. Einmal eine in London und eine zweite außerhalb der Stadt, wo sich auch die Gärtnerei befand. Henley-on-Thames hieß der kleine Ort, in dessen Nähe sich der Goringsche Betrieb befand. Für mich stand fest, dass ich noch in der Nacht eine kleine Reise unternehmen würde…
***
Victor hatte sich wieder erholt!
Er kniete nicht mehr am Boden und war zu seinem Fahrrad gewankt. Seine Hände umkrampften die Lenkstange so hart, dass die Knöchel hervortraten. In seinem Gesicht zuckte es. Die Zunge fuhr aufgeregt über die Lippen, und am Rücken spürte er wieder den Druck seines Karabiners. Fast hätte er die Waffe in seiner Panik leergeschossen, ein Ersatzmagazin trug er nicht bei sich.
Es kostete ihn Mühe, den Kopf zu drehen und den Hexenturm mit einem scheuen Blick anzuschauen. Dabei rieselte eine Gänsehaut über seinen Rücken. Wenn er berichtete, was er erlebt hatte, würde ihm das kein Mensch glauben. In diesen Mauern hauste in der Tat das Grauen. Die alten Geschichten stimmten, die Leute hatten wirklich
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