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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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Grewe daran, wie Arthur Hollinger gestorben war. Der Gedanke, unter diese menschengroßen, schraubenartigen Stahlkrallen zu geraten, ließ ihn innerlich erschaudern. Der Mörder, den sie suchten, war gnadenlos. Denn das Grausame daran war, dass alle diese Männer nicht sofort tot gewesen waren. Wer wusste schon, wie viel sie hatten leiden müssen, bis sie endlich erlöst wurden.
    »Hey Tony! Schläfst du?«, drang plötzlich eine Frage an sein Ohr.
    Erschrocken schaute Grewe auf und sah, dass die Schilde an die Kohlenwand rangefahren werden mussten. Er war tatsächlich so in Gedanken versunken, dass er es trotz Lärm nicht mitbekommen hatte. Sofort begann er mit seiner Arbeit.
    Wie hypnotisiert hingen seine Augen an den Stützgeräten auf Gleitkufen, deren Hydraulik reibungslos jeden Arbeitsvorgang mit gleichmäßiger Kraft antrieb. Tonnenschwere Gewichte wurden mit Leichtigkeit gehoben. Nichts verriet, wie gefährlich das Hangende über ihnen schwebte und nur darauf wartete, auf sie niederzustürzen.
    Er schaute sich um. Alle Männer arbeiteten wie programmiert. Die Handgriffe waren bestens einstudiert. Eine Arbeit, die sie Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag verrichteten. Eine Arbeit, die nun durch grausame Verbrechen ihren gewohnten Rhythmus verloren hatte. Verbrechen, die das Ende einer Ära verdarben.
    Plötzlich bemerkte er den unauffälligen Seitenblick eines Kameraden. Als Grewe zurückschaute, drehte der Mann seinen Kopf hastig weg. Schulterzuckend schaute sich Grewe weiter um und bemerkte den nächsten schrägen Blick. Auch der Kamerad drehte sich hastig weg, als ihre Blicke sich begegneten. Grewe wollte es nicht glauben und schaute sich weiter um. Bis er auf Hans Rach stieß. Auch der war nicht in der Lage, dem Blickkontakt mit Grewe standzuhalten. Waren das nur Zufälle, überlegte Grewe. Oder sollte er sich lieber keine Gedanken darum machen? Er drehte sich in die andere Richtung und traf auf den nächsten stechenden Blick. Nun wurde ihm doch mulmig zumute. Unwillkürlich kam ihm die Frage auf, ob ihn jemand am Vortag bei der Polizei gesehen hatte. Das wäre fatal. Er musste sich ab sofort angewöhnen, jedes Mal einen anderen Weg dorthin zu fahren.
    Prüfend suchte er Bonhoffs Blick. Doch der wich ihm ebenfalls aus. Das war auch besser so, denn im gleichen Augenblick sah er Remmark zwanzig Schilde oberhalb im Streb stehen. Er beobachtete ihn.
    Hastig wandte er sich seinen Schilden zu. Trotzdem konnte er in den Augenwinkeln erkennen, wie Remmark mit provokant langsamen Schritten auf ihn zukam. Erst als er ganz dicht vor ihm stand, knurrte er: »Ist dir mal aufgefallen, dass der zweite Schilderfahrer schon die ganze Zeit deine Arbeit mitmacht?«
    »Scheiße! Tut mir leid«, brummte er hastig.
    »Oh ja! Das wird es noch.« Mit diesen Worten ließ Remmark Grewe einfach stehen.
    Nun starrten alle ganz offensichtlich auf Grewe. Seine Arbeit gelang ihm nur noch mit Mühe, weil seine Hände zitterten.

    Der abschließende Bericht der Grubenwehr lag auf Schnurs Schreibtisch. Er las ihn nun schon zum dritten Mal, aber das änderte nichts. Er las immer dasselbe. Das Ergebnis gefiel ihm nicht. Lieber wäre es ihm gewesen, er hätte seine eigenen Leute dort hinunterschicken können. Doch leider war ihm das immer noch verwehrt. Jetzt musste er alles daransetzen, um zumindest das Equipment der Kriminaltechnik zum Einsatz zu bringen, um das Material an der Unglücksstelle untersuchen zu können. Doch bis jetzt hatte er noch keine Rückmeldung von Ann-Kathrin bekommen.
    Er rief Anke, Erik und Andrea in sein Büro, um mit ihnen darüber zu sprechen. Die Stimmung war niedergeschlagen. Der Fall schien ihnen allen auf dem Gemüt zu liegen. Ständig der Gedanke an den Kollegen Grewe, der sich einem großen Risiko aussetzte. Dazu noch das Gefühl, selbst so hilflos zu sein.
    »Ich habe hier den Bericht der Grubenwehr«, begann er, als alle ihn erwartungsvoll anschauten. »Wo ist eigentlich Kullmann?«, fragte er, anstatt sofort aus dem Papier vorzulesen.
    »Auf dem Weg hierher«, antwortete Anke. »Er bringt vorher noch Martha zum Arzt.«
    »Ist Martha krank?«
    »Nein.« Anke schüttelte hastig den Kopf. »Sie muss zur jährlichen Kontrolle.«
    Schnur nickte erleichtert und begann mit dem Bericht: »Also! Die Grubenwehr konnte nicht rekonstruieren, wie es dazu kommen konnte, dass diese Wand am Ende der Gezähekammer eingestürzt ist. Sie können nur Vermutungen anstellen.«
    »Hast du Fotos?«, fragte Anke

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