Blutige Spuren
verfügbar ist. «
» Also Sokrates oder so jemand. «
» Derrida. Jacques Derrida. «
» Der lebt doch noch? «
» Nee. Vor ein paar Jahren gestorben. «
Tarek klinkte sich wieder ein: » Den Namen Derrida « , er sprach ihn falsch aus, » haben wir nur an einer Stelle gefunden. Kann stimmen, muss aber nicht. «
Isabel sagte: » Philosophieren im Glashaus. Und vor einem gemalten Hintergrund Gespräche mit einem Dekonstruktivisten, der eigentlich gar kein Philosoph ist, sondern ein Schauspieler. Das hat doch was! «
Sternenberg setzte sich auf einen der Stühle und schaute in das nicht existierende Palmenhaus. » Wozu macht jemand wie Seesand so was? «
» Ganz klar « , sagte Tarek. » Seesand hat den Leuten diese Rollenspiele angeboten. Gegen Geld. Ein gutes Geschäft, wenn man sich den Aufwand einiger Szenarien ansieht. Und die Rechnungen. Von denen haben wir aber leider nur zwei gefunden. Seesand war kein Ausbund an Ordnung. Fest steht: Er war ein Illusionskünstler, wie Isabel sagt. Hat den Leuten die Möglichkeit verkauft, ihre Phantasie auszuleben. «
» Ungewöhnlich « , murmelte Sternenberg. » Und Gusewski hat ihm bei den Hintergründen geholfen. Die beiden hatten eine Arbeitsbeziehung. Bekommen wir Frank Huth auch noch unter? Immerhin ein Zuhälter. Hattet ihr nicht eine Kulisse, in der es um Sex ging? «
» Das Oval Office « , sagte Tarek.
Sie lachten.
» Schaut mal, ob ihr eine Spur zu Huth findet. Wenn wir wissen, wie sie zueinanderstanden, können wir vielleicht einschätzen, warum sie aufeinander losgegangen sind. – Ach, noch was: Gibt es ein Wald-Szenario? «
Isabel schüttelte den Kopf.
» Was meinst du, Chef? « , fragte Tarek.
» Carl Blechen hat doch ein Gemälde vom Wald bei Spandau gemalt. Vielleicht hat Gusewski auch das nachgezeichnet, für ein Szenario. «
» Und dann? «
» Nur mal angenommen, die drei hätten ein Wald-Szenario entwickelt … Und dann gehen sie in den echten Wald – und stechen aufeinander ein. «
» Verstehe ich nicht « , sagte Isabel.
» Haben die drei eigentlich Drogen genommen? «
» Negativ, Chef. Die Obduktionsberichte enthalten nichts Neues. Bestätigen nur unsere Vermutungen. «
Sternenberg beherrschte sich. Eigentlich wollte er sagen, er würde die Berichte trotzdem sehen wollen. Aber dafür war später immer noch Zeit, und er brauchte jetzt motivierte Mitarbeiter, die ihm den Rücken freihielten.
» Ich will, dass Sie bis auf Weiteres nicht mehr bei der Telefonseelsorge arbeiten. «
Beate Rixdorf stand ihrem Mitarbeiter Kai Sternenberg gegenüber. Nachdem er es vorgezogen hatte, sich nicht zu setzen, war auch sie stehen geblieben, und sie führten das Gespräch in der Mitte des Raumes. Sie hatte das Licht nicht angeschaltet, obwohl es bereits dunkelte. Er berichtete ihr von dem Anruf des Mannes, der etwas über eine Entführung Habersteins zu wissen behauptete.
» Können Sie das akzeptieren, Herr Sternenberg? «
» Natürlich. Ich glaube nicht, dass es nötig ist, mich da aus dem Verkehr zu ziehen. Aber ich verstehe, dass Sie ein gewisses Misstrauen gegen meine Arbeit haben, weil es Verstrickungen geben könnte. «
» Die gibt es jetzt schon « , sagte sie. » Und so wie Sie es berichten, glaube ich nicht, dass der Mann, der mit Ihnen gesprochen hat, nur ein Mitwisser ist. Hinzu kommt meine Fürsorgepflicht. Ich sehe, dass Sie schon jetzt in Interessenskonflikte geraten. Das können wir uns nicht leisten. «
Er überlegte, ob sie das als Vorgesetzte oder als künftige Polizeipräsidentin sagte.
» Herr Hauptkommissar, ich habe mich überzeugen lassen, dass die Variante eines politischen Hintergrunds nicht unwahrscheinlich ist. Ich mag das Wort ›Terrorismus‹ nicht. Jeder legt es aus, wie es ihm passt. In einer Diktatur sind alle Oppositionellen Terroristen. Strukturell gesehen beinhaltet ›Terrorismus‹ keine Beschreibung eines Täterkreises, sondern nur eine Beschreibung der Kampfmethode. «
Sternenberg lächelte. » Stimmt. Terrorismus ist eine Untergrund-Kampftechnik. «
» Nicht nur. Terrorismus bedeutet auch, dass jemand unschuldige Opfer für übergeordnete Ziele in Kauf nimmt oder sie sogar absichtlich will. Im Gegensatz zur klassischen Schlacht, bei der Soldaten gegen Soldaten kämpfen. Die Einbeziehung von Unbeteiligten, von Zivilisten in den Krieg, das ist Terror. «
Sternenberg nickte. Er wusste jedoch nicht, worauf sie hinauswollte.
» Mit dieser Ansicht bin ich beim BKA nicht sonderlich gut angekommen.
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