Blutige Spuren
«
» Das kann ich mir denken. «
» Dennoch hat man mich davon überzeugt, dass es Personen gibt, die die staatliche Ordnung untergraben wollen, unter anderem, indem sie Amtsträger töten oder entführen. Diese Leute gehören nicht zwangsläufig islamistischen Organisationen an, da weiche ich von Angermanns Ansichten ab. Aber dass es sie gibt, diese Leute, steht außer Frage. Es gibt Aussagen von Kronzeugen. «
» Und die wissen, dass man den Polizeivizepräsidenten entführen wollte? «
» Nein. Das nicht. Er steht auf keiner Liste. Und glauben Sie mir, Herr Kollege, es gibt viele Listen. Das alles bedeutet, dass wir uns in der Vergangenheit vielleicht zu sehr auf Klein-Klein eingeschossen haben. Neben dem sozusagen normalen Verbrechen müssen wir zumindest die Augen und Ohren offen halten, ob es nicht auch einen staatszersetzenden Hintergrund haben kann. «
» Hm. Verstehe. Immerhin zeigt die Existenz solcher Listen, dass sich diese – wie auch immer – Terroristen auf Amtsträger konzentrieren. «
Sie sah ihn an und schien nicht zu verstehen.
» Ich meine, es ist ähnlich wie bei der RAF damals. Sie richten ihre Gewalt gegen offizielle Vertreter des Staates. Aber sie zünden keine Bombe auf dem Oktoberfest wie die Nazis. «
» Was wollen Sie damit sagen, Herr Sternenberg? Haben Sie vergessen, wie viele Zivilisten die RAF getötet hat? Allein bei der Entführung von Schleyer? Wollen Sie den Kindern der Fahrer und der Polizisten sagen, dass ihre Väter … «
» Neinneinnein! Ich will das nicht rechtfertigen … «
» Ich akzeptiere solche Differenzierung auch nicht. Wer immer Menschen tötet, kann mir nichts von politischer Rechtfertigung erzählen. Ich werde solchen Leuten keine Sekunde lang zuhören. Rechts, links, moslemisch, irisch … Ist mir völlig egal. Aber ich will zum Kern unseres Gesprächs zurückkommen, Herr Sternenberg. Ich habe mir Gedanken gemacht, was es für uns bedeutet, wenn der Vizepräsident aus politischen Gründen entführt wurde. « Sie nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
Sternenberg setzte sich auf die Besuchercouch.
» Wenn die Därme des Bären ein Zeichen sein sollten … « Sie zögerte. » Warum hatten die Entführer kein Interesse, dieses Zeichen öffentlicher zu machen? Wir haben es geheim gehalten, aber sie hätten doch gewollt, dass es eine große Presse gibt. «
» Das ist die eine Frage « , sagte Sternenberg. » Die andere ist: Warum haben wir keine Mitteilung der Entführer bekommen? Bärendärme sind keine Mitteilung. «
» Richtig. Was wäre, wenn es sich zwar tatsächlich um eine Entführung handelt, dabei aber etwas schiefgegangen ist? «
» Sie meinen, es hat nicht geklappt mit der Übermittlung von Freilassungs-Bedingungen? «
» Ja. Oder – der Entführte ist tot. «
» In Italien würde man der Familie abgeschnittene Finger schicken. Man wüsste dann, dass das Opfer in der Gewalt der Entführer ist, aber nicht, ob es noch lebt. «
Sternenberg stand wieder auf und ging vor seiner Chefin langsam auf und ab. » Tja. Sie haben stattdessen den Darm eines Bären hinterlassen. «
» Was bedeutet? «
» Sie wollten uns schocken. «
» Oder? «
» Hm. – Sie haben den Entführten nicht. «
Sie lächelte. » Genau. «
» Das wäre die einfachste Lösung. Stimmt. Aber warum taucht er dann nicht auf? «
Sie zuckte mit den Schultern. » Das BKA fahndet nach ihm. Wir übrigens auch. Herr Lichtenberg organisiert das. «
» Aber … Das heißt, es ist etwas schiefgelaufen bei der Entführung. «
» Möglicherweise. «
» Und ich werde bei der Telefonseelsorge angerufen. Der Versuch einer Kontaktaufnahme? Über die Telefonseelsorge? «
» Deshalb möchte ich nicht, dass Sie weiterhin da arbeiten. Es soll auch ein Schutz dieser Organisation sein. Wenn jemand verhandeln will, soll er es mit der Polizei tun. «
Er stöhnte auf. » Ähm … Vielleicht hat er das. «
» Was meinen Sie? «
» Vielleicht weiß jemand, dass ich bei der Telefonseelsorge bin und dass ich bei der Kripo arbeite. Sie sagten doch selbst: Vermengung von Interessen. Vielleicht weiß das jemand. «
» Theoretisch denkbar. Wer sollte das sein? «
» Normalerweise weiß es niemand, außer natürlich Freunde von mir, meine Familie, meine Kollegen. Aber außerhalb … Es ist nicht wahrscheinlich, oder? «
» Ich habe Ihnen den Hintergrund mit dem Terrorismus auch deshalb erzählt, weil ich auf einen anderen Aspekt hinweisen will. Halten wir fest: Es gibt Pläne, in Berlin
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