Blutige Spuren
Mann.
» Sie wollen etwas beichten? «
» Ja. Geht das? «
» Wir sind keine kirchliche Stelle, falls Sie das meinen. «
Der Mann stöhnte. » Egal. Ich muss es loswerden. «
Sternenberg wartete noch einen Moment, dann sagte er: » Wie gesagt, ich höre zu, was Sie sagen. « Er machte seine Vornotierungen im Tagebuch, weil der Anrufer zögerte. Irgendwann hatte er sich vorgenommen, damit nicht während der Gespräche anzufangen, jedenfalls nicht am Anfang. Aber an diesem Tag lief sowieso vieles schief, da wollte er mehr Kontrolle, mehr Organisation über sein Leben.
» Sie dürfen das nicht weitersagen, was ich erzähle, oder? «
Sternenberg legte den Kugelschreiber beiseite. » So ist es. «
» Eine Art Beichtgeheimnis « , sagte der Mann, den Sternenberg auf vierzig bis fünfzig schätzte.
» Nicht ganz. «
» Was heißt das: Nicht ganz? «
» Wissen Sie – Sie fragen mich Dinge über die Geheimhaltung. Ich will das nicht alles beantworten. Es ist geheim. Möchten Sie jetzt darüber sprechen, was Sie bewegt? «
» Ja. « Er sammelte sich offenbar. » Entschuldigen Sie « , sagte der Mann. » Falls ich Sie genervt habe. «
» Das haben Sie nicht. Ich wollte Sie nur auf Ihr eigentliches Anliegen bringen. «
» Ich verstehe. Sie werden gleich wissen, warum ich auf die Schweigepflicht vertraue. « Er seufzte.
Sternenberg ließ ihm Zeit.
» Es gibt etwas, das mich sehr belastet. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe etwas mitbekommen, das ich besser nicht mitbekommen hätte. «
Sternenberg ging nicht darauf ein. Er wartete, damit der Mann auch ohne Frage-Antwort-Spiel redete.
» Wollen Sie nicht wissen, worum es geht? «
» Erzählen Sie. Warten Sie nicht auf mich. «
» Gut … Ich habe von einer Sache gehört, die man wohl kriminell nennen muss. Das ist … Ich bin nicht selbst direkt darin verstrickt. Ich weiß aber, wer dahintersteckt. Es handelt sich um eine illegale Angelegenheit. Ich meine …« Er lachte trocken. » … der Polizei würde ich es nicht gerade erzählen. Verstehen Sie? «
» Hm. « Sternenberg malte ein Smiley in seine Kladde und lächelte grimmig.
» Wenn die Polizei es wüsste, wäre ich mit drin. Es ist eine … ekelhafte Sache. Ich werde es Ihnen sagen. – Hören Sie mich? «
» Ja. «
» Also, es ist so: Eine Person, ich lasse es mal bei der allgemeinen Bezeichnung, eine Person wurde entführt. Haben Sie verstanden? Entführt. «
» Ich habe Sie verstanden, ja. «
» Ich meine, das ist ein echtes Verbrechen, nicht wahr? – Hallo? – Hallo? «
» Ich höre Sie sehr gut. Sprechen Sie weiter. «
» Ja, aber Sie verstehen es auch? Es dreht sich um Kidnapping. Eine Person wurde gekidnappt. Und ich habe davon erfahren, das heißt, ich weiß, wer es ist. «
» Sie meinen, wer entführt wurde? «
» Das sowieso. Ich meine, ich weiß, wer die Entführer sind. «
Sternenberg richtete sich in seinem Sessel auf. » Okay. Sprechen Sie weiter. «
» Na, was soll ich denn noch sagen? «
Sternenberg ließ wieder Stille regieren.
Der Mann war irritiert. Offenbar hatte er fest darauf gesetzt, eine bestimmte Reaktion zu bekommen. Sternenberg war es egal, ob die Geschichte stimmte oder nicht. Hier war es fast immer gleichgültig, ob die Belange, die die Menschen ihm erzählten, real waren oder nicht. Denn die Anrufer wurden von diesen Dingen bedrängt – ob sie nun tatsächlich oder nur in ihrer Einbildung existierten. Außerdem konnte es wieder ein Scherzanruf sein.
» Was soll ich denn noch sagen? «
» Sie haben die Telefonseelsorge angerufen, weil es Sie belastet. «
» Ja. Die Polizei hätte ich nicht angerufen, das können Sie glauben. Ich will niemanden verpfeifen. «
» Das könnten Sie aber? Sie wissen so viel, dass Sie jemanden verpfeifen könnten? «
» Ja. Ich bin, wie man so sagt, in die Pläne eingeweiht. «
» Das heißt? «
» Das heißt, dass ich eingeweiht bin. «
Sternenberg fragte: » Fühlen Sie sich mächtig? «
» Wieso? «
» Sie sind eingeweiht und wissen etwas. Sie könnten es sagen, tun es aber nicht. Sind Sie mächtig, oder sind Sie hilflos? «
» Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich weiß es eben … Ich weiß sogar, dass man Lösegeld fordert. Fünf Millionen. «
» Fünf Millionen? «
» Ja. Die Polizei soll das Geld im Westhafen deponieren. In einem Polizeiwagen. Und sich dann langsam von dem Wagen entfernen. Ist ’n Ding, was? «
» Und die Polizei weiß das schon? Ich meine, Sie wollten es doch der Polizei
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