Blutige Spuren
politische Repräsentanten zu entführen, und es gibt Todeslisten. Sie haben mit einer Ihrer Fragen vorhin schon einmal darauf hingewiesen, vielleicht unabsichtlich: Warum wird der Vizepräsident entführt? Anders gefragt: Warum nicht der Polizeipräsident? «
» … den jeder kennt « , ergänzte Sternenberg. » Die Täter wussten wahrscheinlich, dass der Polizeipräsident beschützt wird. «
Sie nickte zustimmend. » Das wussten sie bestimmt. Nehmen wir an, es handelt sich um Täter, denen ein schwerer Fehler unterlaufen ist, weshalb es sich mit der Erpressung etwas schwer anlässt. Also um nicht ganz so professionelle Täter. Etwas tölpelhaft womöglich. Wie viele tölpelhafte Gewaltverbrecher kennen den Vizepräsidenten der Polizei? «
Er lachte. » Na ja, mir fallen zwei Antworten ein. Die eine: Keiner. Die andere: Jemand, der einen persönlichen Hass auf ihn hat. «
» Aha! Persönlicher Hass, das bedeutet: Kein Terrorismus. Und wenn die Täter ihn gar nicht kennen, was heißt das? «
» Sie haben noch einen Fehler begangen. Sie meinen, Haberstein wurde … aus Versehen entführt? «
Ein breites Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. » Kann das nicht sein? «
» Interessanter Aspekt. Vielleicht haben sie gemerkt, dass es der Falsche ist – und haben ihn umgebracht. Im Affekt. «
» Ich glaube, wir haben jetzt sehr viel spekuliert. Wir müssen aufpassen. Wir könnten damit völlig falschliegen. Ich wollte Ihnen nur ein paar Anstöße geben. Das BKA ist übrigens nicht mehr abgeneigt, mit uns zusammenzuarbeiten. «
» Oh, herzlichen Glückwunsch! «
» Es wäre mir recht, wenn Sie an dieser Sache dranblieben, Herr Sternenberg. Sie können das am besten, auch mit dem nötigen Fingerspitzengefühl. Sie haben ja sogar einen guten Draht zum Bundesinnenminister; vielen Dank übrigens für Ihren Auftritt! Also: Kehren Sie den Terrorismus-Aspekt nicht gänzlich unter den Teppich, aber beachten Sie auch die anderen Optionen. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit Sie durch den anderen Fall in Anspruch genommen sind. Was haben Sie in dieser Grunewald-Geschichte? Können wir die abschließen? «
» Noch nicht. Wir sind dicht davor zu verstehen, was die drei Toten verband. Wahrscheinlich haben sie sich gegenseitig umgebracht, sie sind also drei Mörder oder Totschläger. Die Staatsanwaltschaft hat ein Aufklärungsinteresse, auch wenn die Täter tot sind. Übrigens hatten die drei eine seltsame Geschäftspraxis, die wir noch nicht begreifen. «
» Gut. Berichten Sie mir, wenn Sie den Durchblick haben. Aber Priorität hat jetzt für Sie der Vizepräsident. Den Rest können Ihre Mitarbeiter machen, oder? «
» Ich habe noch eine Frage: Müssen wir dem BKA von dem Anruf bei mir etwas sagen? «
Sie sah ihn an, als habe er angekündigt, sich in einen rosa Elefanten zu verwandeln.
» Ich meine ja nur … «
» Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Mit dem BKA arbeiten wir eng zusammen, was die Terror-Theorie betrifft. Und wir kümmern uns währenddessen um die Wirklichkeit. «
» Hallo, Wolf! Beatrix sagt mir, du willst mich sprechen. «
» Setz dich. Ich habe eine schlechte und eine schlechte Nachricht für dich, Kai. Welche willst du zuerst? «
» Fang mit der superwitzigen an. «
Lichtenberg griff sich eine Zigarette und knipste mehrmals am Feuerzeug herum, bis eine winzige Flamme sich traute.
» Ich fange mit der Nachricht an, bei der du an die Decke gehst wie eine Haubitze. Also schnall dich an. « Er paffte und verzog das Gesicht wegen des Rauchs, vielleicht auch wegen der Nachricht. Im Ton eines gelangweilten Märchenerzählers fuhr er fort: » Die Herren und Damen Bundestagsabgeordneten haben mal wieder – natürlich sind es nur Einzelfälle – ein paar Nasen voller Glücksbringer eingesaugt. Drogen. Reichstags-Toilette. Verstehste? Die Einzelfälle haben wahrscheinlich Fraktionsstärke. Deshalb – Sonderkommission. « Er paffte.
Sternenberg rutschte unruhig auf dem Stuhl herum.
» Benötigt wird mehr Personal. Holt man aus dem Personalüberhang. Heißt – und nun kommt dein Einsatz als menschliche Rakete: Saskia und Barbara gehen zur Drogenfahndung. Und abheben, bitte! «
Fünf Minuten später hatte Sternenberg den Kaffee fertig. Er war wortlos an Lichtenbergs Maschine gegangen und hatte ihnen etwas Starkes zusammengebraut. Heimlich musste er in sich hineinlachen.
Lichtenberg rührte misstrauisch im Kaffee herum, sagte aber nichts dazu.
» Und jetzt die zweite tolle Meldung,
Weitere Kostenlose Bücher