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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Liemann
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sich bei ihren Spaziergängen anscheinend wie Wildschweine an ihnen rieben.

22
    Es zischte. Das Wasser verdampfte so schnell, dass die Steine sofort wieder trocken waren, obwohl gerade erst eine Kelle über ihnen entleert worden war. Intensiver Orangenduft stieg mit dem Dampf auf.
    Sternenberg erklomm die oberste Ebene und legte sich flach hin. Sofort spürte er, wie die Hitze seinen Körper erreichte.
    Die Sauna war seine Notbremse. Wenn er im Sommer mit seinen Gedanken – oder seinen Gefühlen – in der Sackgasse steckte, fuhr er zum Plötzensee und schwamm mehrere Runden. Jetzt übernahm die Hitze im Holzverschlag die Funktion des Plötzenseewassers.
    Als er eine Stunde zuvor in seinem Bett aufgewacht war, hatte er stöhnend festgestellt, dass er schon wieder verschlafen hatte. Jeden zweiten Tag passierte ihm das – kein akzeptabler Schnitt. Er gab Dodorovic zu verstehen, dass er in der Rykestraße ermittle. Dodorovic verstand, niemand würde von der Verspätung erfahren.
    Gestern hatte Sternenberg bis Mitternacht unter der Schreibtischlampe des Dezernats gesessen und versucht, einen Zusammenhang zu finden. Aber es war, als wollte er aus einer Luftgitarre echte Töne herausholen. Im Grunde war er nicht sicher, ob die Gitarre wirklich aus Luft war. Oder ob er einfach nur zu ungeschickt war, sie zu spielen.
    Er lag allein in der Sauna. Doch der Anrufer von der Telefonseelsorge störte seine Ruhe. Sternenberg ging das Telefonat mit dem Mann noch einmal durch, der von der Entführung gesprochen hatte.
    Was würde passieren, wenn sie wirklich ein Fahrzeug mit Geld im Westhafen deponierten? Käme der Polizeivizepräsident dann frei? Falls der wirklich entführt wurde …
    Die vordergründige Frage aber war, ob Saskia sich eventuell als Informantin betätigt hatte? Warum sollte sie das tun?
    Sollte er die Integrität seiner neuen Mitarbeiterin in Frage stellen? Er fand sie sympathisch, und gleichzeitig kannte er sie zu wenig. Also musste er sich auf die Frage konzentrieren, ob sie ein Motiv und eine Gelegenheit gehabt hätte, etwas über sein » Doppelleben « weiterzugeben – sodass jemand davon auf kriminelle Weise profitieren konnte.
    Vielleicht war der Anruf ein Scherz des BKA ? Den Gedanken verwarf er.
    Wann hatte er Saskia von der Telefonseelsorge erzählt? Es war neulich, beim Essen im Dreihirtenhaus. Sie fragte ihn … Ja, er hatte ihr erzählt, dass er Sonntagabend Dienst hätte. Das wusste sie also.
    Er setzte sich aufrecht hin und merkte, wie viel heißer es in Kopfhöhe war. Der Schweiß lief angenehm an ihm hinunter. Die Sanduhr war abgelaufen, wahrscheinlich hätte er sie schon ein zweites Mal umdrehen müssen. Ob ich bei der Hitze besser denken kann, ist auch noch nicht bewiesen.
    Er sah das Gespräch mit Saskia vor sich. Wie in einem Film bewegte sich die Kamera nach oben, erfasste, wie sie beide am Tisch saßen, sprachen und aßen. Die Kamera zoomte weiter auf, sodass er auch die Nachbartische sah. Sternenberg erkannte in dem Fantasiefilm dort keine konkreten Personen, aber er bemerkte, wie dicht die anderen bei ihnen saßen. Die Trennwände waren durchbrochen und nicht hoch.
    Jemand hat uns zugehört.
    Obwohl die Hitze ihn hinaustreiben wollte, konnte er sich nicht zurückhalten, eine weitere Kelle des Orangenwassers zu schöpfen und es über die Steine im Ofen zu gießen.
    Jemand hatte zugehört. Jemand, der von der Entführung Habersteins wusste und dann bei der Telefonseelsorge anrief. Wenn er gehört hat …
    Sternenberg erschrak: Jemand, der von der Entführung Habersteins wusste, saß im Dreihirtenhaus ! Wenn das Dreihirtenhaus etwas mit dem Tod von Seesand, Huth und Gusewski zu tun hätte, dann …
    Er stand auf und atmete die Hitze ein, als wäre sie eine gerechte Bestrafung. … dann müsste es eine Verbindung zwischen dem dreifachen Mord und der Entführung des Vizepräsidenten geben.
    Die Tür wurde geöffnet. Zwei junge Frauen kamen herein und legten ihre Handtücher ab. Er hätte ihrer Schönheit Respekt zollen und wenigstens einen Moment bleiben sollen. Aber sein Körper kochte.
    Er stürzte hinaus, duschte blitzschnell und stieg – fast sprang er – in das Eiswasser. Der stockende Atem, das Gefühl, sein Herz zu spüren, gehörte für ihn zu dem Spaß einer Sauna. Nicht gesund, dachte er jedes Mal. Doch er wollte nicht auf diesen Schock verzichten.
    Diesmal war der Schock ein doppelter. Die Grunewald-Morde und Seesands Szenarien auf der einen, das Verschwinden und die mögliche

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