Blutige Spuren

Kundschaft absticht. – Seesand, sachten Se? Stand der nich’ ooch inne Zeitung? Weil er tot ist? «
    Saskia schien wenig Neigung zu haben, auf ihn einzugehen. Isabel fand ihn durchaus glaubwürdig und sah in ihm eine potenzielle Informationsquelle. Dass sie Saskia gewähren ließ, mochte an dem Ambiente liegen, das sie moralisch einschüchterte. Isabel gab ihm die Visitenkarte.
    » Ick würde mir nie erlauben, Ihnen einen Sonderrabatt einzuräumen. Würde nach Bestechung aussehen. Und watt hätte ick davon? « Er schob ihnen jeweils eine seiner Visitenkarten über den Tisch. » Aber im Dezember, im Vorfeld der Inventur, reduziere ick die Preise um bis zu achtzig Prozent. « Er lächelte. » Für alle Kunden. «
    Isabel zögerte, die Visitenkarte eines Sexshops einzustecken. Sie legte sie in ihre Ermittlungsmappe.
    » Was passiert eigentlich bei Ihnen in den Videokabinen? « , fragte Isabel so unvermittelt, dass Saskia beinahe losgeprustet hätte.
    Der Verkäufer zog die Augenbrauen hoch und sah sie mit einer Spur von Mitleid, gepaart mit einem Verschwörerblick, an.
    » Ich meine, haben Sie etwas anderes im Video- … oder DVD -Angebot als das Übliche? «
    » Na, dett will ick meinen! Anderswo jibs sozusag’n Fast Food, bei mir kommen die Feinschmecker uff ihre Kosten. «
    » Aber es geht immer um Sex? « fragte sie, sich der Absurdität der Frage bewusst.
    Der Verkäufer war nicht so dumm, Unwissen vorzuschützen. » Bei mir jeht ett ausschließlich um genau dett « , sagte er. Und fügte ein » Letztlich « hinzu. » Wenn Se uff Sachen anspiel’n, die Frank vorhatte, kann ick nur sagen: Nich’ mein Metier. «
    » Was hatte er denn vor? « , hakte Saskia nach. » Vielleicht wissen Sie mehr als wir. «
    Der Mann stellte den Teller samt Besteck in die Mikrowelle, als wäre darin ein kleiner Geschirrspüler untergebracht. Seine Antwort darauf kam zur Abwechslung wieder in fast astreinem Hochdeutsch. » Frank hatte die fixe Idee, seriöser zu werden. Er dachte, wenn er weniger Sex anbietet und dafür mehr … sagen wa: Playstation, dann kann er sein Schmuddelimage abschütteln. «
    » Sie hielten das für falsch? «
    » Klar. Meene Philosophie is: Sex kann ja nich’ so schlecht sein. Ohne würden wa alle nich’ hier steh’n. Ick meine, die Menschheit wär’ nich’ mehr existent: ausjerottet oder vor Langeweile einjejangen … «
    Saskia grinste.
    » Bei Sex weeß ma’ wenichstens, watt de Leute bewegt. Wenn de hinjejen so komische Machtspiele inszenierst, die anjeblich nüscht mit Sex zu tun haben, denn is’ imma Vorsicht jeboten. Mir höchst suspekt. Leute, die ’nen Riesenschlitten brauchen für ihre Psyche. Oder die ständich inne Zeitung steh’n müssen. Find’ ick imma verdächtich. Ick persönlich würde ja Jeltungssucht und Jeldgeilheit als Straftatbestand ins Jesetz nehmen. Hab’ ma’n paar Semester Rechtsverdreherei studiert « , ergänzte er, als erkläre dies seine Einstellung.
    » An einem sogenannten Szenario haben Sie nie teilgenommen? « , fragte Isabel.
    » Se meinen, die Rollenspielchen? Jott bewahre! Für so’n Quatsch bin ick einfach nich’ jeeignet. Fehlt mir letztlich ooch die Phantasie für, mich da rinzudenken. Sowatt hat Frank ooch nich’ jemacht, der hat bloß davon erzählt und wollte de Idee ausbauen. «
    Isabel blieb am Ball. » Gab es eine Konkurrenz zwischen Frank Huth und Sebastian Seewald? «
    » Für Frank war jeder Konkurrent. Ick weeß, jetz’ spitzen Se de Ohren, aber is so. Bisschen cholerisch, der Mann. Aber eijentlich herzensjut. Verlierertype, am Ende imma. Wollte allet, hat aber imma dett Jefühl jehabt, benachteiligt zu werden und nie ’ne Schangse zu haben. «
    Sternenberg war ins Dezernat gefahren. Dodorovic hatte eine Nachricht hinterlassen, dass er zu Tarek hinausgefahren sei.
    Er las Saskias Kommentare zu den Unterlagen von Frank Huth und versuchte, die Personen- und Geschäftskonstellationen vom Text in eine Mindmap zu übertragen. Nach einer Weile war das Blatt Papier vor ihm mit Namen und Pfeilen übersät. Etwas Neues konnte er darin nicht erkennen.
    Es war schnell dunkel geworden und schneite ein wenig.
    Tarek kündigte telefonisch eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse vom Grunewald an und verschwieg nicht, dass die genauere Inaugenscheinnahme des Grunewalds viel mehr Spuren gebracht hatte, als sie gehofft hatten. Was dann per Fax kam, bestätigte seine Einschätzung. An jedem zweiten Baum hingen Kleidungsfussel, weil die Berliner