Blutige Stille. Thriller
gemacht?«, frage ich nach einer Weile.
Er sieht mich über sein Bierglas hinweg an. »Glaubst du das nicht?«
»Ich bin mir unsicher. Es bleiben so viele offene Fragen.«
»Was meinst du genau?«
Ich denke einen Moment nach. »Wie konnte ein Mann sieben Menschen unter Kontrolle halten? Eine ganze Familie?«
»Die Planks waren Amische, Kate. Pazifisten. Vielleicht haben sie sich nicht gewehrt.«
»Manchmal wehren sich die Amischen. Instinkt. Selbsterhaltungstrieb.«
Ich habe mich gewehrt
.
»Sie konnten unmöglich wissen, was er vorhatte. Wahrscheinlich dachten sie, er wolle sie ausrauben. Und als er ihnen dann die Hände gefesselt hat, war es zu spät.«
»Wie hat er sie aber gleichzeitig filmen und dann töten können?«
»Stativ. Du hast die Markierung auf dem Boden doch selbst gesehen.« Er kneift die Augen zusammen. »Worauf willst du hinaus?«
»Ich glaube nicht, dass Long allein war.«
»Wir haben nichts, was auf einen Komplizen hinweist.«
»Und wenn Long sich nicht selbst umgebracht hat?«
»Wie viel Kurze hast du schon intus?«
»Ich meine es ernst. Was ist, wenn jemand es wie einen Selbstmord hat aussehen lassen?«
»Und wie kommst du darauf?«
»Bauchgefühl.«
Tomasetti runzelt die Stirn. »Nicht gerade konkret.«
»Aber trotzdem eine Überlegung wert.«
»Vielleicht.« Er seufzt. »Denkst du dabei an jemand Bestimmtes?«
»James Payne. Er wäre zumindest fähig dazu.«
»Wir haben absolut nichts gegen ihn in der Hand. Keine Verbindung zu Long.«
»Und was ist mit Barbereaux? Ich spiele hier den Advocatus Diaboli, aber sein Name ist bei den Ermittlungen zwei Mal aufgetaucht. Durch den Laden gibt es eine Verbindung zu Mary, und dann ist da noch die Weinflasche.«
»Alles ziemlich vage und bloß Indizien.«
»Meiner Meinung nach lohnt sich ein genauer Blick.«
»Kate, Painters Mill ist eine kleine Stadt, die Wege der Menschen überschneiden sich. Viele junge Leute treffen sich an Miller’s Pond, um einen zu trinken.«
»Ich glaube nicht, dass Long clever genug war, pornographische Videos zu drehen und sie übers Internet zu vertreiben.«
»Man muss kein Genie sein, um Filme von minderjährigen Mädchen im Netz zu verkaufen. Jeder Dreckskerl mit einem Modem und einem Intelligenzquotienten von über zehn schafft das. Der Markt ist sozusagen ein Selbstläufer.«
Trotz des Alkohols wächst meine Frustration wie ein anhänglicher kleiner Bluthund. »Und der Snuff-Ansatz? Hältst du den für brauchbar?«
»Ich finde, es ist eine Theorie, die wir mit nichts belegen können.«
Wir sitzen eine ganze Minute lang da und denken nach, dann frage ich: »Habt ihr was über die Betreiber der Websites herausgefunden?«
»Wir sind bis zu den Philippinnen vorgedrungen und warten auf weitere Informationen. Aber das kann dauern. Sie kooperieren zwar, doch überschlagen tun sie sich nicht für uns.«
Ich schüttele den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Todd Long ins Farmhaus marschiert ist und sieben Menschen umgebracht hat. Dazu braucht man eine gewisse Kaltblütigkeit. Long war zwar ein Dreckskerl, Manipulierer und Vergewaltiger, aber für mich war er ein Mitläufer. Ich halte ihn nicht für so kühn.«
An Tomasettis hartem Zug um den Mund sehe ich, dass er von meiner Theorie nicht viel hält. »Gehen wir mal davon aus, dass du recht hast«, sagt er. »Wie viele Leute waren deiner Meinung nach involviert?«
»Ich glaube, es gab einen Komplizen.« Ich denke einen Moment nach. »Wenn das Sperma nicht Long zugeordnet werden kann, ist sicher, dass mindestens ein anderer dabei war. Gibt es da schon Resultate?«
»Die vom Labor sagen vier bis sechs Tage. Ich wollte mehr Druck machen, aber die sind schon mit anderen Sachen im Rückstand.«
Ich will nicht so lange warten, habe aber keine Wahl. »Ich halte Long nicht für den Mann, von dem Mary in ihrem Tagebuch geschrieben hat.«
Tomasetti sieht mich zweifelnd an. »Warum nicht?«
Ich laufe rot an, entwickle ziemlich radikale Theorien, wenn ich zu viel getrunken habe. »In dem Video war Mary zwar zugedröhnt, aber der Ekel steht ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, als Long sich über sie hermacht. In den Mann in ihrem Tagebuch war sie verliebt. Das ist ein Unterschied.«
Er zupft am Etikett seiner Bierflasche. »Ich will ganz ehrlich sein, Kate. Ich finde, du bist zu stark in die Sache involviert und suchst nach Zusammenhängen, die es nicht gibt. Tu dir selbst einen Gefallen und lass es gut sein.«
»Der Stadtrat wird mir
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