Blutige Stille. Thriller
meinen Schreibtisch.
T. Long – Selbstmord
steht dick mit Rotstift an der Seite. Die Kiste enthält nur einen Bruchteil dessen, was wir im Haus sichergestellt haben, denn das meiste wurde bereits zur Untersuchung ans BCI -Labor geschickt. Aber die Sachen hier will ich mir noch einmal ganz genau ansehen, bevor ich den Fall abschließe.
Zuoberst liegt die von Mona gefertigte Aufstellung aller Beweismittel, darunter der vorläufige Bericht von Doc Coblentz, eine Mappe mit Aufnahmen vom Tatort und eine Plastiktüte mit pornographischen Fotos von Mary Plank. Zudem zwei Kästen mit CD s, alles Kopien, denn die Originale wurden ans Labor geschickt. Auf dem einen steht
Bereits gesichtet
– die hatten Glock, John und T.J. gestern schon durchgesehen. Auf dem zweiten steht
Noch sichten
. Und das werde ich heute Morgen auch tun.
Ich nehme die beiden Kästchen heraus und stelle sie auf den Schreibtisch. Ich habe wirklich keine Lust, mir das anzutun. Diese Aufnahmen von Vergewaltigung und Verderbtheit werden allen Optimismus kaputtmachen, mit dem John mich zurückgelassen hat. Doch ich muss sämtliche Beweise prüfen, auch wenn Long tot und der Fall abgeschlossen ist.
Ich stehe auf, schließe die Bürotür und lege die erste CD - ROM in meinen Computer ein. Das Laufwerk surrt, ich öffne den Windows Media Player und klicke auf Play. Das Video zeigt einen spärlich eingerichteten fensterlosen Raum mit weißen Wänden und einer einzigen Glühbirne, die von der Decke hängt. In der Mitte steht ein Einzelbett mit hohem schmiedeeisernen Kopf- und niedrigem Fußteil. Mary Plank liegt auf der Seite. Sie ist ungeschminkt, aber jemand hat ihren Mund rot angemalt. Ihr Blick ist glasig. Sie trägt ein hellblaues Kleid, eine weiße Schürze, eine
Kappe
aus Organdy und Stiefeletten. Ich versuche, mir das alles mit dem distanzierten Blick der Polizistin anzusehen, doch das fällt mir sehr schwer.
Von rechts betritt ein Mann in Jeans und mit Narrenmaske das Bild. Scheißkerl, denke ich und bin froh, dass Long sich die Kanone in den Mund gesteckt hat. Der Mann geht zum Bett, kniet sich auf die Matratze neben Mary und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie lächelt ihn an, dann sieht sie in die Kamera. »Heute machen wir ein sexy Spiel«, sagt sie.
Ich höre zum ersten Mal ihre Stimme und bin entsetzt, wie mädchenhaft und unschuldig sie klingt. Lächelnd streckt sie die Hand nach Long aus. Er küsst sie, und ich sehe eine Verbindung zwischen den beiden, die ich zuvor nicht bemerkt habe. Musik setzt ein, der alte Van-Halen-Song »Running with the Devil«. Während er sie auszieht, konzentriere ich mich auf die Kameraführung. Da sie ausgesprochen ruhig ist, benutzt er vermutlich ein Stativ.
Den Rest sehe ich mir im Schnellvorlauf an, nur wenn mir etwas ins Auge fällt, sehe ich genauer hin. Aber es gibt weit und breit keinen Hinweis auf einen Komplizen. Als das Video zu Ende ist, bebe ich innerlich vor Ekel und Entsetzen. Ich fühle mich schmutzig und unsäglich schuldig.
Als ich die CD rausnehme, sie als gesehen markiere und zu den anderen in den Kasten lege, gestatte ich mir weder Emotionen noch Gedanken, kämpfe nur gegen das schwarze Grauen, das in mir aufsteigt. Während ich die zweite einlege, sagt die Stimme in meinem Kopf, dass ich das nicht schaffe, aber aufhören ist unmöglich. Ich schließe das Laufwerk und klicke auf Play.
Mein Puls geht schneller, als ich das Farmhaus der Planks erkenne. Das Wohnzimmer mit den zwei hohen Fenstern und den Spitzengardinen. Das Licht ist schlecht, wahrscheinlich von einer batteriebetriebenen Lampe. Die Aufnahmen sind wacklig, im Stil von
The Blair Witch Project
, womit klar ist, dass mit einer Handkamera gefilmt wurde. Ich frage mich, ob das Video aus der Mordnacht stammt oder ob Long davor schon einmal im Farmhaus war. Und wo die Planks sind.
Der Bildschirm wird schwarz, gefolgt von einem weißen Flimmern, und dann erscheint die Küche. Die Kameraführung ist jetzt ruhig, er hat offensichtlich wieder das Stativ aufgebaut. Die Kante des Küchentischs ist zu sehen, die Hintertür, der Schrank und die Spüle. Long kommt ins Bild, richtet die Kamera aus und prüft das Licht. Er blickt in die Linse, als wäre ihm nicht klar, dass die Kamera läuft. Sein Gesicht ist ernst. Ein Ausdruck von Ärger?, frage ich mich, oder von Angst? Ist er entschlossen zu töten, oder bekommt er gleich einen Wutausbruch?
Wieder wird der Bildschirm schwarz, diesmal aber durch langsames Abblenden, und die Worte Tod im
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