Blutige Stille. Thriller
ihrer schlimmsten Seite. Das Böse in seiner niederträchtigsten Form. Ein junges Mädchen, dem die Unschuld genommen und das Leben gestohlen wurde, auf dessen Andenken getrampelt wird. Eine Kultur, die aus Geldgier geschändet wird. Es tut weh, das ansehen zu müssen.
Die erste CD ist fertig und ich lege die zweite ein. Mary versucht, ihre Nacktheit zu bedecken, doch ihre Bewegungen sind wegen der verabreichten Drogen unkoordiniert. Der Mann mit der Maske kommt ins Bild. Den Ekel, der ihr Gesicht zeichnet, fühle ich in meinem Herzen. Long drückt ihren Kopf nach unten aufs Bett, bindet ihre Hände und Füße am Kopf- und Fußende fest.
Ich will nicht sehen, was als Nächstes passiert, will nicht wissen, was er diesem jungen Mädchen noch alles angetan hat. Die Scham und den Selbsthass, den sie empfunden haben muss, will ich mir nicht vorstellen, und kann nur hoffen, dass die Drogen ihr Erinnerungsvermögen beeinträchtigt haben.
Ich schließe die Augen und vergrabe das Gesicht in den Händen, doch ein Klatschen auf nackter Haut lässt meinen Kopf hochschrecken. Long peitscht mit einer Reitgerte auf ihren Po. Bei jedem Schlag zucke ich zusammen und weiß, dass dies nicht die vorgetäuschten Schläge eines zweitklassigen Pornodarstellers sind. Long schlägt hart zu,
tut ihr weh
. Die Striemen zeichnen sich deutlich ab.
»Lieber Gott«, flüstere ich.
Und frage mich, warum sie darüber nichts in ihrem Tagebuch geschrieben hat. Doch dann fallen mir die Drogen wieder ein und dass sie sich vielleicht
wirklich
nicht daran erinnern konnte. Vermutlich hat sie beim Anblick ihrer Blutergüsse die Wahrheit verdrängt. Oder sie war einfach zu beschämt und niedergeschlagen, um sich einzugestehen, wie schlimm und hoffnungslos ihr Leben war.
Das nächste Video ist genauso verstörend und widerlich. Diesmal spielt sich alles in einem Raum mit rotweißem Federbett auf dem Fußboden ab. Long trägt wieder eine Maske, seine Jeans hängt auf den Knien und Marys schlichtes Kleid ist bis zur Taille hochgeschoben. Sie haben Geschlechtsverkehr, in wechselnder Position. Als Long fertig ist, steht er auf und zieht die Hose hoch. Mary liegt auf dem Federbett und versucht, das Kleid nach unten zu ziehen, wobei der Blick ihrer schweren Augen auf Long haftet.
Er grinst in die Kamera und geht dann zu Mary hin. Die Kamera schwenkt zu einer Nahaufnahme von Mary, und ich sehe, wie eine Hand ihr aufgestelltes Bein nach unten drückt. Ich stutze, halte das Video an und starre auf das Standbild. Long steht links von Mary, beide Hände am Penis. Wo kam die andere Hand her? Mit der Maus klicke ich mich zu der Stelle zurück, wo die Hand ins Bild kommt.
Ich stelle mein Glas mit einem Knall zurück auf den Tisch. Klicke auf Vorlauf, klick, klick, klick. Long steht links neben Mary. Ich klicke zurück. Die Hand auf Marys Knie kommt ins Bild – von rechts. Die Größe, die wuchtigen Knöchel und stumpfgeschnittenen Nägel lassen keinen Zweifel daran, dass sie einem Mann gehört.
Und dieser Mann ist zweifellos
nicht
Todd Long.
Das ist der erste eindeutige Beweis, dass Long auch hier einen Komplizen hatte.
»Ich sehe dich, du Scheißkerl«, flüstere ich.
Doch mir ist klar, dass Long das Filmmaterial geschnitten oder sonst wie bearbeitet haben könnte und es nur so
scheint
, als gehöre die Hand einer zweiten Person. Ich versuche, das Standbild zu vergrößern, was mir Probleme bereitet. Mit den meisten Programmen komme ich zwar ganz gut klar, doch ein Computercrack bin ich sicher nicht. Und der Alkohol hilft auch nicht gerade. Doch ich muss die Hand deutlicher sehen, um mögliche Besonderheiten erkennen zu können.
Alle meine Versuche, das Bild zu vergrößern, scheitern an meinem Computer, denn die Auflösung ist zu schlecht. Schließlich kopiere ich das Bild auf die Festplatte und versuche es mit einer anderen Software, was mir tatsächlich gelingt. Und meine Mühe wird belohnt. Zwischen Daumen und Zeigefinger der gebräunten Hand erkenne ich eine Narbe von der Größe eines Zehncentstücks. Ich kann mich nicht erinnern, sie bei Long gesehen zu haben.
Ohne groß nachzudenken, wähle ich Doc Coblentz’ Privatnummer. Eine verschlafen klingende Frau hebt nach dem sechsten Klingeln ab. Der Blick auf die Bildschirmuhr verrät mir, dass es fast Mitternacht ist.
Ich frage nach ihrem Mann, wobei ich hoffentlich nüchtern klinge.
»Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass es eine weitere Leiche gibt«, begrüßt mich Doc Coblentz.
»Ich habe nur eine
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