Blutige Stille. Thriller
Kopf und sieht mich an. »Das ist ja mal was ganz Neues, die
Englische
Polizei bittet uns um Hilfe.«
Isaac und William kommen in die Küche gestürmt. William herrscht sie an. »Setzt euch an den Tisch. Wir beten.«
Mit einem misstrauischen Blick in meine Richtung nehmen sie rechts neben ihrem Vater Platz. Alma stellt einen Brotkorb in die Mitte und lässt sich auf dem Stuhl links neben ihrem Mann nieder. Ich stehe an der Küchentür, transpiriere in der drückenden Hitze und kämpfe dagegen an, mich wie eine Ausgeschlossene zu fühlen, während die Familie den Kopf senkt und William das Tischgebet spricht.
»
O Herr Gott, himmlischer Vater, Segne uns und Diese Diene Gaben, die wir von Deiner milden Gute zu uns nehmen warden, speise und tranke auch unsere Seelen zum ewigen Leben, und mach uns theilhaftig Deines himmlischen Tisches durch Jesus Christum. Amen
.«
Auch nach siebzehn Jahren weiß ich noch jedes Wort, was mich erstaunt. Als Kind habe ich das Gebet viele tausend Mal gesprochen, und jetzt holt mich die Erinnerung ein: die Baritonstimme meines
Datts;
Sarah, Jonas und ich, wie wir unter dem Tisch das Essen miteinander tauschen; meine
Mamm
, die es mitbekommt, uns aber nie verrät, weil
Datts
Strafe manchmal zu hart ist für unser Vergehen.
Doch meine Reise in die Vergangenheit ist zu Ende, als William die Gabel nimmt und anfängt zu essen. »Was wollen Sie von uns?«
Ich hatte nicht vor, in Gegenwart der Kinder darüber zu reden, doch vielleicht ist das jetzt die einzige Gelegenheit, die ich habe. »Es geht um den Plank-Fall. Ich brauche eure Hilfe.«
»Ich sehe nicht, wie wir dir helfen können«, sagt Alma. »Billy hat den Mann nicht deutlich erkannt –«
»Das weiß der Mörder aber nicht.«
William und Alma sehen mich an, dann auch Isaac, ein Stück Bohne zwischen den Lippen. Nur Billy isst weiter, das Gespräch interessiert ihn nicht. »Was soll das heißen?«, fragt William.
»Ich will dem Mörder eine Falle stellen, er soll glauben, Billy hätte ihn gesehen. Dazu müsste ich mich ein paar Tage hier im Haus aufhalten, um ihn herzulocken.«
Alma öffnet den Mund, doch William ist schneller. »Ich werde nicht zulassen, dass Sie meine Familie in Gefahr bringen.«
»Das ist zu gefährlich für Billy«, sagt Alma fast gleichzeitig.
Ich sehe sie eindringlich an. »Keiner von euch wird in Gefahr sein.«
William legt die Gabel auf den Teller. Der Blick, den er mir zuwirft, lässt mich schaudern. »Wir sind Amische, keine dummen Farmtiere.«
»Sie wissen, dass ich so nicht denke«, erwidere ich ruhig.
William wird zornig. Er sieht seine Söhne an und weist mit dem Kopf zur Tür. »Isaac und Billy, geht in eure Zimmer.«
Almas Blick schießt von mir zu ihrem Mann. »William …«
»Geht!« Er zeigt zur Tür.
Isaac schnappt sich ein Stück Brot aus dem Korb, und sie verlassen wortlos die Küche. William sieht mich anklagend an. »Ich werde es nicht zulassen, dass Sie in mein Haus kommen und meinen Kindern Angst machen.«
»William, es ist sehr wichtig, sonst wäre ich nicht hier. Aber ich muss einen Mörder dingfest machen, ich bin für die Sicherheit der Menschen in dieser Stadt verantwortlich.«
»Der Mörder ist ein
Englischer
«, stößt William aus. »Das ist keine amische Angelegenheit.«
»Die Planks waren Amische«, entgegne ich.
»Ich kann Ihnen nicht helfen.« William isst weiter, stößt ein wenig zu heftig mit der Gabel auf den Teller.
»Wenn ich ihn nicht aufhalte, wird er wieder töten.«
Er kaut angestrengt, ignoriert mich.
Frustriert sehe ich seine Frau an. »Alma, hör dir doch einfach mal an, wie ich mir das vorstelle.«
»Ich habe genug gehört.« William Zook erhebt sich abrupt. »Bist du nicht in ein Joch gespannt mit den Ungläubigen? Denn was haben die Gerechten mit den Ungerechten gemein? Und Licht mit Dunkelheit?«
Das ist ein Auszug aus einer Doktrin, die es den Amischen verbietet, Geschäfte mit Außenstehenden zu machen. In meiner Jugend habe ich die Worte oft gehört und sie damals genauso wenig akzeptiert wie heute.
»Es stimmt, wir gehören zwei verschiedenen Gemeinschaften an«, erwidere ich. »Der amischen und der englischen. Aber wir leben in ein und derselben Stadt. Und der Mörder macht zwischen den beiden keinen Unterschied.«
Ohne mich anzusehen, murmelt William etwas auf Pennsylvaniadeutsch.
Alma schaltet sich ein. »Aber was ist mit den Menschen, die in Gefahr sind, William? Wenn es in unserer Macht steht, sie zu schützen, will Gott
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