Blutige Stille. Thriller
Dienstmarke hin.
Er sieht von seiner Arbeit auf, bekommt beim Anblick der Marke und Uniform große Augen und erhebt sich. »Hören Sie, wenn das wegen dem Strafzettel in Wooster ist, ich hab das Geld vor zwei Wochen überwiesen«, sagt er und hält abwehrend die Hände vor sich.
Er ist ungefähr ein Meter achtzig groß, mit breiten Schultern und muskulösen Oberarmen. Seine Uniform ist eine Spur zu klein, sieht aber trotzdem gut an ihm aus – glaubt er zumindest. Sein Gesicht hat eine goldbraune, gesunde Sonnentönung, und die dunklen, kunstvoll mit Strähnchen durchzogenen Haare reichen fast bis zur Schulter. Insgesamt vermittelt er den Eindruck, die letzten sechs Monate an einem Oben-ohne-Strand in Südfrankreich verbracht zu haben. Die
Bain de Soleil
-Sonnencreme kann ich fast riechen.
»Wir sind nicht wegen eines Strafzettels hier«, sage ich.
»Wirklich?« Sichtlich entspannt lächelt er amüsiert. »Wenn es nicht wegen eines Knöllchens ist –« Er bricht abrupt ab, wird ernst, da ihm anscheinend der Grund dämmert. »O Mist, es geht um das amische Mädchen in dem Laden. Evelyn hat mir schon gesagt, dass Sie sich nach mir erkundigt haben.«
»Dann hat Evelyn ja wohl keine Zeit verloren, Sie anzurufen, was?« Tomasetti geht um mich herum und stellt sich hinter ihn, wirft einen Blick auf den Computerbildschirm.
Falls das Barbereaux nervös macht, merkt man es ihm nicht an. »Es ist so grotesk. Eine
amische
Familie. Scheiße. Haben Sie schon jemanden verhaftet?«
»Wir verfolgen mehrere Spuren«, sage ich vage.
»Ich hab das Mädchen noch letzte Woche gesehen. Freitag. Sie hat Marmelade oder so in die Regale geräumt. Hübsches Ding. Sehr still. Schien eine fleißige Arbeiterin zu sein.«
»Haben Sie sie gekannt?«, frage ich. »Mandy?«
»Mary«, berichtige ich ihn. »Der Nachname ist Plank.«
»Hab sie immer nur gegrüßt, sie war fast jedes Mal da, wenn ich geliefert habe. Meistens freitags. Sie verbrauchen eine Menge Kaffee. Evelyn verschenkt ihn an Touristen. Das ist vermutlich eine clevere Strategie, sie zum Kaufen zu animieren, aber …« Er merkt, dass er vom Thema abkommt, und seufzt. »Ich kann’s einfach nicht glauben, dass jemand einer hilflosen amischen Familie so etwas Furchtbares antut.«
»Haben Sie Mary mal mit jemand anderem zusammen gesehen?«, frage ich.
Er schüttelt verneinend den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Haben Sie sie jemals in ein Auto steigen sehen?«
»Tut mir leid, auf so was hab ich nie geachtet. Ich hab eine Menge Stops auf meiner Tour und es immer eilig. Mein Gott, jetzt wünschte ich, ich hätte besser aufgepasst.« Er fährt sich mit der Hand durch die Haare, verwuschelt sie stilsicher. »Also, ich hab Nichten und Neffen, und Sie wollen das jetzt sicher nicht hören, aber ich schwöre bei Gott, wenn denen jemand was antun würde, würde ich zum Dirty Harry.«
»Haben Sie jemals mit Mary gesprochen?« Tomasetti überfliegt das Blatt Papier, das er sich vom Schreibtisch genommen hat, und legt es zurück.
»Einmal hab ich ihr geholfen, eine schwere Kiste zu heben, mit Marmelade oder so. Ich glaube, sie war sehr scheu.«
»Haben Sie mal sonst jemanden von der Familie getroffen?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf. »Ich glaube, einmal hab ich ihre Mutter gesehen, ich habe aber nicht mit ihr gesprochen.«
Tomasetti geht um den Schreibtisch herum und bleibt davor stehen. »Wo waren Sie Sonntagabend?«
»Scheiße. Ich?« Barbereaux presst sich die Hand auf die Brust. Mimt einen auf Mr Unschuld. »Sie glauben doch hoffentlich nicht, dass ich etwas damit zu tun habe.«
»Wir sammeln nur Informationen«, erkläre ich. »Um Leute ausschließen zu können.«
»Also, ich war den ganzen Abend zu Hause, mit meiner Freundin, Glenda Patterson.« Er buchstabiert den Nachnamen. »Wir haben einen Film angesehen. Sie können sie anrufen.«
Ich notiere den Namen. »Wohnen Sie zusammen?«
»Nein, sie hat ein eigenes Apartment in Maple Crest.«
Maple Crest ist eine Wohnsiedlung, für die eine Menge Farmland im Osten der Stadt geopfert wurde. »Sonst noch irgendetwas über Mary, das uns helfen könnte?«, frage ich.
»Mir fällt nichts ein.«
»Kam sie Ihnen vielleicht mal besonders aufgewühlt vor?«
»Nein, nie«, antwortet er. »Sie hat immer gearbeitet, immer mit gesenktem Kopf. Sie war immer gut ausgelastet, für Evelyn hat sich das ganz schön rentiert.«
»Was für ein Auto fahren Sie?«, fragt Tomasetti.
»Pontiac Grand Am.«
»Welche
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