Blutige Stille. Thriller
wieder vergessen.«
John und ich tauschen Blicke. Sein Polizistenradar piept genauso laut wie meins.
»Hatte sie englische Freunde?«.
»Ich habe nie welche gesehen.«
»Hatte sie einen Schreibtisch oder ein Fach hier im Laden, wo wir mal reinsehen können?«, fragt John.
»So was gibt es hier nicht.«
Die Türglocke bimmelt, und eine Gruppe Mittfünfziger-Touristen in Golfshirts betritt den Laden.
»Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben«, sagt Tomasetti, und wir gehen zur Tür.
»In der Familie sind die Äpfel nicht weit vom Stamm gefallen«, murmele ich.
Er sieht mich belustigt an. »Verdorbene Äpfel?«
»Faule.«
»Oh, Chief Burkholder!«, ruft Evelyn Steinkruger hinter uns her.
Wir bleiben stehen und drehen uns um.
»Ich habe noch Marys letzten Gehaltsscheck hier. Was soll ich damit machen?«
»Geben Sie ihn ihrem Bruder Aaron«, sage ich. »Vielleicht kann er damit einen Teil der Kosten für den Sarg begleichen.«
***
Als ich in Tomasettis Tahoe steige, denke ich an Marys Tagebuch. »Der Mann in dem Auto könnte unser Mörder sein«, sage ich. »In ihrem Tagebuch steht, dass sie ihren Freund zum Mittagessen trifft.«
»Vielleicht können ein paar deiner Mitarbeiter die Leute hier in der Straße befragen.«
»Okay.«
»Viel hat das ja nicht gebracht.« Tomasetti lässt den Motor an und fährt los. »Ich lese am besten auch mal das Tagebuch. Kann ich eine Kopie haben?«
»Ich lasse Lois eine machen.«
»Vielleicht fällt mir doch noch irgendwas auf. Du weißt ja, dass es heißt, zwei Hirne sind besser als eins.«
»Eine beängstigende Vorstellung, Tomasetti.«
15 . KAPITEL
Die Geschäftsräume von Tuscarawus Coffee Roasters befinden sich im Norden der Stadt in einem kleinen Bürohaus, das mit dem Ziegeldach und der efeubewachsenen Stuckfassade an eine italienische Villa erinnert. Das Gebäude beherbergt außerdem zwei Zahnärzte, eine Versicherungsagentur, ein Fotostudio und ein gehobenes Nagelstudio namens Elegante.
Wir parken auf dem einzigen freien Platz und gehen zu dem mit einem Baldachin überdeckten Eingang, neben dem ein Schild der Kaffeefirma prangt.
»Nette Bude«, sage ich.
»Die müssen ne Menge Kaffee verkaufen.«
Die Tür führt in einen modernen Empfangsraum mit türkisfarbenen Wänden und Türrahmen aus Mahagoni. An der Wand zu meiner Rechten steht ein schwarzsilbernes Sofa, auf dem Tisch davor liegen zahlreiche Ausgaben des
Coffee Lover Magazine
. Links von mir sitzt eine Afroamerikanerin an einem Art-déco-ähnlichen Schreibtisch und tippt auf einer glänzenden Tastatur, die Fingernägel lang und rosa. Auf dem Schild vor ihr steht
Rezeption
.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie.
Ich gehe zu ihr hin und zücke meine Dienstmarke. »Arbeitet bei Ihnen ein Auslieferungsfahrer mit dem Vornamen Scott? Er beliefert den Carriage Stop in Painters Mill.«
»Oh, wow, die Polizei.« Ihr Blick schießt von meiner Marke zu Tomasetti und zurück zu mir. »Der Carriage Stop gehört zu Scott Barbereaux’ Tour. Steckt er in Schwierigkeiten?«
»Wir wollen nur mit ihm reden«, sagt Tomasetti. »Ist er da?«
Sie blickt auf die Uhr auf ihrem Schreibtisch. »Normalerweise kommt er um die Zeit von seiner Tour zurück und ist dann im Lagerhaus, um den Papierkram zu erledigen. Ich rufe ihn kurz aus.« Sie drückt mit ihrem Stift auf eine Taste der Telefonanlage. »Scott, bitte 900 anrufen.«
Tomasettis Blick sagt mir, dass er keine Lust hat zu warten. »Wo ist das Lagerhaus?«, fragt er.
»Hm, na ja, ich darf Sie eigentlich nicht dahin lassen.«
Sein Lächeln ist eher ein Zähnefletschen. »Wenn Ihr Boss Ihnen deswegen Probleme macht, verhafte ich ihn für Sie.«
Sie kichert nervös und zeigt mit ihrem rosa lackierten Fingernagel zu einer Tür auf der anderen Seite. »Gehen Sie da durch, dann links und weiter durch die Tür mit dem Schild
Ausgang
. Die Laderampe ist auf dem Hof gegenüber, Sie können es nicht verfehlen.«
Das Lagerhaus ist ein großes, metallverkleidetes Gebäude mit zwei Rolltoren, die auf Verladerampen führen. An den Rampen stehen vier braune Lieferwagen mit dem
Tuscarawus-Coffee-Roasters
-Logo an der Seite. Wir überqueren den kleinen asphaltierten Hof und gehen die Steinstufen hinauf ins Lagerhaus. Nur wenige Meter hinter der Tür sitzt ein Mann in einer braunen Uniform an einem Metallschreibtisch und hackt auf der Computertastatur herum. Sein Namensschild verrät, dass er der Mann ist, den wir suchen.
»Scott Barbereaux?« Ich halte ihm meine
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