Blutige Tränen (German Edition)
spät.«
»Was war das für ein Gerede von unzivilisierten Blutsaugern?«
Brian landete geräuschlos neben Gabriel, unweit der verwitterten, ehemals weiß getünchten Friedhofsmauer.
Gabriel schüttelte den Kopf. »Das ist kein Gerede, das ist mein Ernst.«
Lautlos, nur zwei Schatten, gingen sie das letzte Stück zu Fuß. Kaum betraten sie den alten Kiesweg – das rostige Tor stand nur einen schmalen Spalt weit offen – spürte Brian die Anwesenheit der anderen. Doch ihre Signale waren schwach; sie waren einfache, dem menschlichen Leben entfremdete Geschöpfe. Wenngleich trotzdem tödlich für Jessy und Julian.
Brian hoffte, dass sie unbemerkt blieben. Er war viel zu angespannt, um sich mit streng riechenden Friedhofsbewohnern auseinanderzusetzen. Aber vielleicht waren sie leise, unauffällig genug, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Diese jungen Vampire waren sicher nicht mit so empfindlichen Sinnen ausgestattet, um Brian und Gabriel sofort zu erspüren.
Ein wenig unsicher schlich er hinter Gabriel her. Der Nebel verdichtete sich merklich, und selbst für Vampiraugen war die dicke, graue Suppe kaum mehr zu durchdringen.
Gabriel begann zu pfeifen, und Brian standen augenblicklich die Haare zu Berge. Das also zu seinem Anliegen, unbemerkt zu bleiben. Gabriel intonierte einen alten Beatles-Song.
»Du pfeifst schief«, bemerkte Brian säuerlich.
Gabriel grinste. »Ist eine Kunst, echt. Musste ich lange für üben. Hast du das schon mal versucht?«
»Ich dachte, wir wollten unbemerkt bleiben?«
Gabriel blieb stehen. »Ist nicht nötig. Die Typen, die hier in den Gräbern hausen, sind keine Gefahr für uns.«
Brian sah ihn fragend an.
»Für Julian und Jessica wären sie eine Gefahr; uns können sie kaum etwas anhaben«, erklärte Gabriel. Er seufzte leise. »Wir sind gleich da.«
Brian versuchte, in dem Nebel etwas auszumachen. Er spürte die Anwesenheit anderer Nachtgeschöpfe in seiner Nähe, erkannte verwitterte Grabsteine und die schwarzen Stämme alter Bäume.
»Ich verstehe das, ehrlich gesagt, alles nicht«, flüsterte er angespannt und bemühte sich, mit dem jungen Vampir Schritt zu halten.
»Ich würde es auch nicht verstehen. Wenn ich es nicht selbst mitgemacht hätte, würde ich es nicht einmal glauben .«
Brian hielt Gabriel an der Schulter fest. Seine Finger bohrten sich in Gabriels festes Fleisch.
»Was um alles in der Welt hat Alex hier getrieben?«
Gabriel nahm Brians Hand von seiner Schulter und hauchte einen Kuß darauf. »Er hat sicher nachgedacht.«
Brians smaragdgrüne Augen schimmerten im Dunkeln. »Er wollte allein sein ...«
Gabriel zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«
»Er ...«
»Brian, verdammt!« unterbrach ihn Gabriel heftig. »Hör auf mit so einem blödsinnigen Geschwafel!«
»Ich hab’ doch noch gar nichts gesagt!« verteidigte der sich zischend.
»Deine Gedanken haben mir schon gereicht. – Alex liebt dich abgöttisch. Und nun komm! Er hat lange genug in der Hölle geschmort.«
»Hölle?«
Gabriel drehte sich um. »Es ist die Hölle, Brian«, murmelte er leise.
»Warum warst du da?« Es war nicht das erste Mal, dass Brian diese Frage stellte. Und wieder sah er, wie Gabriel sich verkrampfte.
»Ich war zu neugierig.«
Brian schwieg. Vielleicht würde Gabriel irgendwann darüber sprechen, wenn die Zeit gekommen war ...
Der Nebel lichtete sich ein wenig, und Brian sah, dass Gabriel mit den Augen den Boden absuchte. Es dauerte einige Minuten, bis er das gefunden hatte, wonach er suchte. Er winkte Brian näher heran und deutete auf eine ungewöhnliche Steintafel, die auf dem Boden lag.
Brian trat näher und versuchte, die seltsamen Inschriften zu entziffern.
»Zwecklos«, bemerkte Gabriel. »Das ist eine sehr alte Schrift, die nicht in dieser Welt entstanden ist. – Vielleicht hat gerade das Alex’ Interesse erweckt ...«
Brian runzelte die Stirn. »Und jetzt?«
Er sah, wie Gabriel tief Atem holte. »Ich werde das Tor zu ihnen öffnen. Du musst unbedingt das tun, was ich sage. – Und bereite dich auf einen freien Fall vor.«
»Was passiert, wenn wir nicht mehr zurückkönnen?«
»Dann sind wir wenigstens alle dort«, sagte Gabriel zynisch. Er kniete sich auf den feuchten Erdboden und schob die Hände unter die Steinplatte.
Brian ließ sich sofort neben ihm auf die Knie nieder, um ihm zu helfen. Überrascht spürte er, dass Gabriel am ganzen Körper zitterte.
Die Steinplatte war erstaunlich leicht, fast so, als sei sie gar nicht aus
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