Blutige Tränen (German Edition)
ihre Schwärmerei ungeduldig. »Wo ist das?«
Das Mädchen warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. »Dort, wo sie immer trainieren.«
Julian erinnerte sich an den kleineren Saal, in den Daniel ihn geführt hatte, als sie gerade erst angekommen waren. Dort hatte er ihn nach der Verbindung gefragt. Dort musste es sein.
Ohne dem Mädchen noch weitere Beachtung zu schenken, machte er sich auf den Weg dorthin.
Und schon von Weitem hörte er das Zischen der Klingen, die die Luft durchschnitten, das leise Klicken von Metall, das aufeinanderschlägt. Julian betrat den Saal und sah die zwei kämpfenden Männer und einige Zuschauer – unter ihnen Dygwion. Der Elf bemerkte ihn sofort. Julian spürte seinen kühlen, abschätzenden Blick auf sich ruhen. Er versuchte, seine Aufregung zu verbergen und ging betont langsam um die beiden Fechter herum.
Die schlanken, durchtrainierten Körper der beiden Männer bewegten sich in einer perfekten Einheit. Ihre nackten, leicht gebräunten Oberkörper glänzten vor Schweiß; deutlich traten die Muskeln und Sehnen auf ihren geraden Rücken und an den Armen hervor. In ihren konzentrierten Gesichtern sah Julian die Anspannung.
Geschmeidig stieß der größere der beiden nun nach vorn und verfehlte seinen Gegner nur um ein paar Zentimeter.
Julian war einen Moment abgelenkt und erschrak heftig, als Dygwion die Hand auf seine Schulter legte. Er zuckte zusammen.
»Wenn du dich erschreckst, ist dein Körper für einen Moment wie unter Strom«, sagte Dygwion und lächelte schmal.
»Ich muss unbedingt mit dir reden. Sagt dir der Name Lance etwas? Es scheint, als würde Alex von ihm gefangen gehalten.«
Der Sidhe verriet seine Gedanken mit keiner Miene.
»Und Gabriel soll angeblich wissen, wer er ist und wie man zu ihm kommt«, fuhr Julian vorsichtig fort.
Jetzt nickte Dygwion bedächtig. »Dann lass uns erst auf Gabriel warten.«
»Aber du weißt doch etwas?!«
»Vielleicht.«
Julians Mund wurde zu einer schmalen Linie. Zorn wallte in ihm hoch. »Dann sag mir jetzt, was du weißt!«
Dygwion wandte sich von ihm ab. »John und Aaron sind zurzeit die besten Fechter in diesem Schloss. Wenn sie kämpfen, ist das wie ein Tanz – findest du nicht auch?«
Julian schloss kurz die Augen, um sich ein wenig zu beruhigen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass Dygwion ihn eindringlich fixierte.
»Ich sehe mir ihren Kampf zu Ende an. Dann wird auch Gabriel aufgewacht sein, und wir werden sehen, was wir tun können.«
»Wie lange fechten sie denn noch?«
»Julian, du bist respektlos und erinnerst mich manchmal an ein freches, vorlautes Kind«, tadelte Dygwion sanft. »Dein Vater hatte neulich allen Grund, dich übers Knie zu legen.«
Julian wurde bis über beide Ohren rot; er spürte, wie sein Gesicht brannte, und er hasste sich dafür, dass er dem Sidhe so eine mächtige Waffe in die Hand gespielt hatte. Er hätte sich den beiden niemals hingeben dürfen – zumindest nicht so!
»Du bist schrecklich ...«, murmelte er ärgerlich.
Doch Dygwion ignorierte das, da er offenbar sein Ziel erreicht hatte und sagte: »Sie kämpfen so lange, bis einer dem anderen eine blutende Wunde zugefügt hat. Dann ist der Kampf beendet.«
Unwillig sah Julian zu den beiden Männern hinüber. Sie waren in der Tat schnell und unglaublich geschickt. Doch wenn er sich die katzenhafte Eleganz des Sidhe ins Gedächtnis rief, war ihm klar, dass der diesen beiden Kämpfern haushoch überlegen sein würde.
»Wer von den zwei ist Aaron und welcher John?«
Dygwion sah ihn wieder an, seine Augen leuchteten. »Der größere Mann mit den dunklen Locken ist John. – Ich denke, er wird heute gewinnen, so, wie’s aussieht.«
Nach etwa drei Minuten hatte John tatsächlich den Kampf für sich entschieden; eine geschickte Parade brachte ihn in den Vorteil, seine elegante Klinge glitt lautlos über Aarons Brust und hinterließ einen schmalen, blutigen Strich. Einige der Zuschauer applaudierten.
Julian starrte auf die Verletzung, er konnte sich für einen Augenblick nicht davon losreißen. Erst als die beiden Männer sich die Hand reichten und Aarons leises Lachen zu hören war, kam er wieder zu sich.
Misstrauisch sah er zu Dygwion hinüber – hatte der Elf etwas mit seiner kurzzeitigen Verwirrung zu tun?
»Komm’ mit mir, mein hübscher Mensch «, hörte er Dygwion sagen. Er spürte, wie ein fester Reif seinen Körper umschlang. Dygwions Stimme war weich und weit entfernt. Julian fühlte sich, als würde er
Weitere Kostenlose Bücher