Blutige Tränen (German Edition)
von einer Wolke umschlossen, er versuchte, sich aus dieser Umklammerung zu befreien, doch er schaffte es nicht! Hilflos stolperte er hinter dem Sidhe her und bemerkte, wie sein Herz schmerzhaft groß in seinem Brustkorb pochte. Ein unsichtbares Band fesselte ihn an Dygwion, und so sehr er sich abmühte, freizukommen – er musste dem Sidhe folgen. Das leise Lachen des Elfen ließ Julian das Blut in den Adern gefrieren.
»Warum sträubst du dich so?«
Ein Eisenspan, der von einem starken Magneten angezogen wird, konnte sich nicht hilfloser fühlen als Julian, der dicht hinter Dygwion ging.
»Das ist nicht komisch«, fauchte er ungehalten.
Doch der Sidhe lachte wieder. »Doch, das ist es.«
Schon von Weitem sahen sie, wie Gabriels Tür sich öffnete. Eine schlanke Gestalt trat auf den Gang und streckte sich ausgiebig. Gabriel erinnerte Julian in diesem Moment an eine Katze, die gerade erwacht war.
Doch der Eindruck täuschte – der Vampir war bereits hellwach und hatte mit einem Blick die Situation erfaßt. Er kam auf die beiden zu und packte Julian am Arm. »Lass ihn los, Dygwion! Spiel nicht solche gemeinen Spiele mit ihm.«
»Du missdeutest die Situation – ich mag ihn sehr.«
»Du magst ihn?« wiederholte Gabriel gedehnt. Ungläubig sah er Dygwion an.
»Ja, so ist das.«
Und endlich war Julian wieder frei und Herr über seinen Körper. Es war, als fiele ein Tonnengewicht von seinen Schultern. Ärgerlich sah er Dygwion an, der sich jedoch nicht beeindrucken ließ.
»Julian hat ein paar erstaunliche neue Informationen, was Alex’ Aufenthaltsort betrifft. Ich denke, das wird dich interessieren ...«
Gabriel horchte auf. »Schieß los!«
Julian wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Auf einmal kam er sich ganz verloren vor zwischen diesen beiden Wesen. Und er wusste nicht mehr, ob er ihnen wirklich vertrauen konnte. Was, wenn Gabriel gar nicht auf seiner Seite stand? – Wütend schüttelte er den Kopf. Dygwion brachte ihn total durcheinander. Solche Gedanken hatte er schon ewig nicht mehr gehabt! Gabriel war schließlich sein Freund – und das seit einigen Jahren. Er konnte unmöglich an Alex’ Entführung beteiligt sein.
Trotzdem sagte er: »Ich hoffe, dass du damit nichts zu tun hast.«
18
Als Lance den bleichen, leblosen Körper des Jungen sah, stieß er einen markerschütternden Schrei aus.
Alarmiert stürzte Alex aus seinem Quartier, rannte mit einer für einen Menschen unmöglichen Geschwindigkeit in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Er war noch nicht verklungen – Lance brüllte wie ein verwundeter Stier.
Vor Silks Tür standen Astaran und zwei weitere, namenlose Wächter, blass, wie zu Statuen erstarrt. Sie wagten offensichtlich nicht, auch nur einen Fuß in den Raum hineinzusetzen. Von innen hörte Alex Lance brüllen: »Nein ...! Nein, nein, nein ...!«
Alex schluckte. Er wusste, was passiert war. Verdammt – natürlich wusste er es. Kälte umklammerte sein Herz, drückte es zusammen. Silk ...
Alex drängte sich an den drei Männern vorbei, er erhaschte einen Blick auf Astarans leeren Gesichtsausdruck. Silk war tot.
Lance saß auf dem Boden, hielt den schlaffen Körper seines Sohnes in den Armen und presste ihn an seine Brust. Er wiegte sich hin und her.
In seinem Gesicht spiegelte sich so unermesslicher Schmerz, dass Alex’ Herz sich zusammenkrampfte. In seinem Kopf kämpften wilde, widerstreitende Gedanken. Er hätte Silk umbringen sollen, er hätte bei ihm sein sollen auf diesem letzten Weg. Und nun? – Silk hatte sich die Pulsadern der Länge nach durchtrennt. Ausgeblutet war er, wie ein Opfertier. Blutrot verfärbt die Kissen und die Bettdecke.
Lance hatte den Körper seines Sohnes offensichtlich vom Bett heruntergezogen – in seinem Schmerz, in seinem Wahn.
Vorsichtig trat Alex näher an ihn heran, kniete sich neben Lance, ohne ihn jedoch zu berühren.
»Er hat sich für Euch geopfert«, sagte er leise.
Lance hörte auf, sich vor und zurück zu wiegen. Es dauerte einen Moment, bis er Alex fixierte. Und dieser wusste: Wenn er es getan hätte, wenn er Silks Leben ausgelöscht hätte – in diesem Moment hätte Lance ihn vernichtet. Es hätte keine Gnade gegeben für ihn.
»Geopfert?« fragte Lance rau.
Alex nickte. »Er war Euer Sohn , Lance. Es hätte für euch keine Zukunft gegeben.«
Lances Augen verengten sich zu Schlitzen. Er blitzte Alex an. »Keine Zukunft?« schrie er aufgebracht.
Doch der Vampir hielt seinem Blick schweigend
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