Blutige Verfuehrung 4
und ziemlich klein waren, dafür aber umso lebendiger. Sie sprühten förmlich vor Lebhaftigkeit. Die Augenfarbe konnte ich bei dem flackernden Lichtern nicht erkennen. Ich musste Henry ziemlich lange angestarrt haben, denn plötzlich sagte er:
"Haben wir uns schon einmal gesehen?" Erst jetzt fiel mir auf, dass er mit leicht Schweizer Akzent sprach. Die Vokale kamen ziemlich langsam aus seinem Mund.
"Nein", antwortete ich,
"das kann ich mir nicht vorstellen." Er roch nach einem Gemisch aus Heublumen und Wald. Das war für ein Parfüm ziemlich ungewöhnlich. Meine sensible Nase entdeckte aber auch noch einen anderen Duft, der mich an Nicholas Holzhütte erinnerte, ich wusste nur nicht genau, was es war.
"Was führt dich nach Brasov?", fragte ich, um das Gespräch im Gang zu halten.
Henry sah mich amüsiert an, dann sagte er:
"Das habe ich mich bei dir auch gerade gefragt."
"Du zuerst!", sagte ich.
Er sah mich sehr aufmerksam an, dann sagte er:
"Ich bin hier, um Vampire zu jagen!"
Ich weiß nicht, ob er bemerkte, wie ich zusammenzuckte, aber ich lachte hinter vorgehaltener Hand und antwortete:
"Glaubst du, dass es hier welche gibt?"
"Jetzt du!", sagte er.
"Ich mache hier Urlaub.", sagte ich ohne lange nachzudenken.
"Du kommst aus Süddeutschland", sagte er dann, "das hört man an deiner Sprache!"
"Ja, aus München.", gab ich ihm zur Antwort.
"Hast du dann schon einen Vampir erlegt?", fragte ich und lächelte ihn verführerisch an.
"Nein, aber unsere Gruppe ist ja auch erst seit gestern hier."
"Du jagst mit den anderen zusammen?", wollte ich von Henry wissen.
"Eigentlich bin ich ein Einzelgänger", sagte er,
"aber ich muss die anderen etwas führen, sie denken, dass es einfach ist, doch ich weiß wie gefährlich diese Biester sein können."
"Bist du alleine hier?", wollte Henry wissen. Ich überlegte ganz kurz, doch dann sagte ich:
"Nein, dort drüben an der Bar sitzt mein Halbbruder, der mich begleitet."
Vielleicht war es nicht besonders schlau, wenn ich mich allein mit einem Vampirjäger anlegte. Ich wusste nicht, welche Waffen er benutzte und ob er mir gefährlich werden konnte. Noch hatte er nicht die leiseste Ahnung, dass er bereits ein mögliches Opfer vor sich hatte, das sich jedoch nicht als Opfer fühlte. Trotzdem fand ich seine Ausstrahlung unglaublich sexy. Vielleicht sollte ich mir nicht so viele Gedanken machen und ihn so schnell wie möglich verführen. Ein Biss, und er wäre handlungsunfähig.
Ich versuchte mit Orlando Augenkontakt aufzunehmen, doch es gelang mir nicht. Die beiden blonden Mädchen lenkten ihn ab. Die eine war gerade im Begriff, ihn auf die Tanzfläche zu ziehen. Ich entschied mich mit Henry das Gleiche zu tun. Vielleicht konnte ich dort kurz mit ihm Kontakt aufnehmen. Er hatte ja behauptet, er würde mich beschützen oder mir beibringen, wie ich ein geeignetes Opfer finden würde. Nun hatten wir beide gleichzeitig das Glück schnell Anschluss zu finden.
Henry folgte willig meiner Aufforderung auf die Tanzfläche zu gehen. Es wurde gerade ein langsames Stück gespielt. Ich schmiegte mich eng an ihn und sog seinen fremden Geruch ein. Es war kaum sein menschlicher Geruch auszumachen, der von dem starken Eau de Toilette überdeckt wurde. Henrys Hände glitten sanft meinen Rücken hinauf und hinunter. Er war ein guter Tänzer, aber etwas steif. Ich ging ihm gerade bis unters Kinn und seine Halsschlagader lag direkt vor meinen Augen. Ich sah, wie sein Blut pulsierte und mein Wunsch dort an der richtigen Stelle hineinzubeißen wurde fast unerträglich. Deshalb befreite ich mich wieder aus seinen Armen und begann frei vor ihm zu tanzen. Er stand einen Augenblick etwas verlegen da, doch dann bewegte er sich auch zur Musik. Orlandos Haarschopf war nur ein paar Meter von mir entfernt und ich tanzte in seine Richtung. Henry folgte mir leicht irritiert.
Als ich endlich direkt hinter Orlando tanzte wandte ich mich um und raunte ihm ins Ohr.
"Sieh dir bitte meinen Begleiter an."
Orlando drehte sich überrascht um und nickte mir freundlich zu, dabei schweifte sein Blick prüfend über Henry. Dann tanzte er mit seinen beiden Blondinen weiter. Und auch ich ließ mich von Henry wieder einfangen. Nach einem weiteren schnellen Stück war Henry ziemlich verschwitzt und wir gingen zurück an die Bar. Er sagte und sah mir dabei tief in die Augen:
"Lucy, du bist die Schönste hier im Raum. Wollen wir nicht noch woanders hingehen? Hier ist es einfach zu laut. Man kann sich kaum
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