Blutige Verfuehrung 4
Krach umfiel. Doch Henry gab nicht auf. Mit seinen Händen riss er mir büschelweise Haare aus, um mich von seinem Hals zu entfernen. Mit meinen Fängen zerkratzte ich ihm das Gesicht und hoffte, seine Augen zu erwischen. Sein Aufschrei zeugte davon, dass ich wohl erfolgreich gewesen war.
Er sank ermattet zurück, doch ich ließ nicht von ihm ab. Meine Gier war kaum zu befriedigen und sein Blut war einfach viel frischer, als die Konserven, die ich im Schloss getrunken hatte. Ich konnte kein Ende finden. Erst als seine Gegenwehr zu erlahmen begann und ich spürte, dass seine Körperspannung nachließ, lockerte ich meinen Griff und löste meine Zähne aus seinem Hals.
Henrys Gesicht war blutüberströmt, eines seiner Augen hatte ich herausgerissen und sein leerer Blick ging zur Zimmerdecke. Das Zimmer war verwüstet und ich stand auf. Henry stöhnte, doch er konnte mich nicht sehen. Er war noch am Leben. Ich musste schnell handeln, wenn er diesen Angriff überstehen sollte. Ich nahm mein Handy und rief Orlando an.
Er war gleich am Apparat und fragte:
"Brauchst du Hilfe?" Ich zögerte einen Augenblick, doch dann sagte ich:
"Ja, ich habe ihn fast getötet." Ich hörte wie Orlando tief Luft holte und sagte:
"Ich kann im Augenblick nicht kommen, aber sieh zu, dass du den Ort verlässt, ohne gesehen zu werden. Ich bestelle dir ein Taxi. Fahre bitte direkt nach Bran.
"Aber er wird sterben, wenn ich nichts unternehme!", sagte ich ziemlich verzweifelt. Orlando antwortete:
"Er ist ein Vampirjäger, oder? Dann hat er nichts anderes verdient. Sieh zu, dass du wegkommst!" Er hatte Recht. Sollte ich mich etwa der Polizei stellen?
Ich raffte meine Sachen zusammen und zog meine Kleidung an, so schnell ich konnte. Dann ging ich ins Bad und wusch mir mein Gesicht und die Hände. Im Badezimmer entdeckte ich neben dem Spiegel in einer leeren Blumenvase einen silbernen Pfahl und einen Hammer. Beide Teile waren in eine durchsichtige Folie gewickelt. Das war also das Werkzeug, mit dem er mich töten wollte. Ich nahm es an mich und erschauerte. Orlando hatte wahrscheinlich Recht. Er oder ich, das war die Wahl. Der silberne Pfahl stach mit seiner geschliffenen Spitze durch die Folie und der Hammer war ziemlich schwer. Das waren perfekte Mordwerkzeuge.
Als ich zurück ins Zimmer kam, hatte sich Henry auf den Bauch gedreht. Er stöhnte noch immer und hielt sich mit den Händen das Gesicht zu. Auf dem hellblauen Teppich hatte sich ein großer dunkler Fleck gebildet. Ich überlegte einen Moment, ob ich mein Werk vollenden sollte, doch dann entschied ich mich, zu verschwinden. Bluttrinken war eine Sache, doch töten eine ganz andere. Dazu war ich nicht in der Lage. Und Orlando hatte sicher Recht, wenn er mir riet, so schnell wie möglich wegzulaufen. Vielleicht hatte jemand den Krach gehört, den der Glastisch verursacht hatte. Außerdem waren wir nicht gerade leise gewesen.
Mit der eingewickelten Waffe unter dem Arm verließ ich das Zimmer nicht durch die Türe, das wäre zu gefährlich gewesen. Ich löschte das Licht und schlich auf den Balkon hinaus, der von mehreren Zimmern aus zugänglich war. Ich drückte mich in eine dunkle Ecke und sah mich um. Doch in keinem der Zimmer brannte noch Licht.
Ich blickte in die Tiefe, der Eingang lag bereits im Dunkeln. Dann entdeckte ich in der Ecke ein Regenrohr. Ich kletterte über die Brüstung, hielt mich an dem Rohr fest und kletterte daran in die Tiefe bis zu einem kleinen Dach, von dem ich mit einem gewagten Sprung auf dem oberen Treppenabsatz landete. Dort fiel mir das Werkzeug aus der Hand und landete klirrend auf den Treppenstufen. Ich sammelte es blitzschnell wieder auf. Anscheinend hatte mich niemand gehört.
Von dort konnte ich unerkannt in die Dunkelheit flüchten. Bevor ich die Ausfahrt erreicht hatte, kam mir bereits eine dunkle Limousine entgegen. Ich winkte und das Auto hielt an. Ich stieg ein. Der Fahrer war Spinoza. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich barfuss war. Meine Schuhe und Strümpfe hatte ich in Henrys Zimmer vergessen.
Spinoza warf einen Blick auf meine seltsame Errungenschaft, dann gab er Gas. Wir rasten in Richtung Schloss. Als wir durch einen dunklen Wald fuhren, der mir bei der Herfahrt gar nicht aufgefallen war, sagte er:
"Wir müssen einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, denn Orlando wartet am anderen Ende von Brasov auf mich."
"Er wird auch abgeholt?", fragte ich neugierig.
"Ja.", sagte er, "Orlando hat auch Probleme!"
Ich drückte mich in meinen Sitz und
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