Blutige Verfuehrung 6
ist in großer Gefahr. Ich muss ihn unbedingt finden, denn sonst passiert etwas Schreckliches."
Mareike sah mich verständnislos an. Dann sagte sie:
"Du weißt nicht, wo er sich aufhält? Kannst du ihn nicht erreichen?" Ich schüttelte nur resigniert den Kopf.
"Ich brauche unbedingt ein Auto.", sagte ich.
"Der Benz steht bei uns vor der Türe, denn Ben ist zurzeit nicht da."
"Okay, dann holen wir ihn.", sagte ich.
"Wo willst du ihn denn suchen?", fragte sie.
"Zunächst bei ihm zuhause. Wenn er dort nicht ist, muss ich nach Tölz fahren." Während unserer Autofahrt hatte ich Mareike erzählt, was sich in Gradara in den letzten 24 Stunden ereignet hatte. Sie hatte mir schweigend zugehört. Als ich dann fertig war, sagte sie:
"Das hört sich schlimmer an, als der ärgste Albtraum."
Als wir vor Nicholas Haus ankamen, war die Einfahrt mit dem schmiedeeisernen Tor verschlossen.
"Ich fürchte, ich muss über den Zaun steigen, um zu sehen, ob er im Haus ist."
Mareike setzte sich so lange wieder ins Auto.
Ich ging um das Haus herum, nachdem auf mein Klingeln niemand geöffnet hatte. Auf der Rückseite gab es eine große Terrasse, die ich noch nicht gesehen hatte, doch auch diese Türe war verschlossen. Eine schmale Kellertreppe führte zu einem Hintereingang, der ebenfalls gesichert war. Ich überlegte kurz, dann holte ich mir einen großen Kieselstein von der Hausumrandung und schlug das kleine Kellerfenster neben der Türe ein. Es ließ sich leicht öffnen und ich zwängte mich hindurch. Dann ging ich durch die einzelnen Kellerräume, die größtenteils mit alten Möbeln und Gerümpel angefüllt waren. Der Heizungsraum war leer und auch ein Getränkekeller enthielt nur leere Bierkästen. Leise schlich ich mich die innere Kellertreppe hinauf bis zu einer Metalltüre. Zum Glück war sie unverschlossen. Vorsichtig öffnete ich sie und stand in einer Diele, die mehrere Türen hatte. Ich ging auf Zehenspitzen zu jeder einzelnen und öffnete sie, um vorsichtig hineinzuschauen. Doch das Haus war leer. Auch im Obergeschoss, wo ich zunächst in Mimis Zimmer schaute, war niemand.
Als ich wieder im Erdgeschoß war, ging ich noch in die Küche, die im vorderen Teil des Hauses lag. Von dort konnte man die Einfahrt sehen. Eiskalter Schweiß lief mir den Rücken hinab und mein Puls pochte an meiner Schläfe. Als ich die Küche wieder verlassen wollte, entdeckte ich auf dem Fußboden Blutspuren. Es waren nur einzelne Tropfen, die bereits festgetrocknet waren, aber sie führten zur Eingangstüre. Ich versuchte sie zu öffnen, doch sie war abgeschlossen. Mein Hals war wie zugeschnürt, ich fühlte nichts als blanke Verzweiflung.
War das Nicholas' Blut? Wo hatte Orlando ihn nur hin gebracht? Ich verließ das Haus auf dem gleichen Wege wieder, wie ich hineingekommen war. Vor der Eingangstüre suchte ich noch nach weiteren Blutspuren, doch es war nichts zu sehen. Niedergeschlagen kehrte ich zu Mareike ins Auto zurück.
"Das hat aber lange gedauert.", sagte sie und blickte mich fragend an.
"Ich habe nichts gefunden, nur ein paar Tropfen Blut."
"Und was jetzt?"
"Nach Tölz", sagte ich und wendete das Auto. Ich war froh, dass ich inzwischen wenigstens etwas Fahrpraxis hatte, trotzdem fiel es mir schwer, mich im Stadtverkehr zu Recht zu finden. Wenn nicht immer die anderen Autofahrer Rücksicht genommen hätten, wäre es bestimmt zu mehreren Unfällen gekommen. Ich fuhr so schnell ich konnte und Mareike klammerte sich mit beiden Händen an ihren Sicherheitsgurt.
"Du musst keine Angst haben", sagte ich,
"ich passe schon auf." Ich bemühte mich, wieder etwas weniger Tempo zu geben und als wir endlich auf dem Parkplatz ankamen, der am unteren Ende des Weges zu Nicholas' Berghütte lag, sagte ich zu Mareike:
"Es geht jetzt ein ganzes Stück bergauf und du kannst dir Zeit lassen, ich laufe schon voraus. Bleibe einfach auf dem Weg und wenn du dann ein Licht siehst, stehst du schon fast vor der Hütte, ich werde den Eingang beleuchten." Dann rannte ich los. Wenn Nicholas wirklich in der Hütte war, musste ich auf das Schlimmste gefasst sein. Orlando hatte eine abartige Fantasie. Vielleicht konnte ich ihn noch retten. Ich legte den Weg zur Hütte in kürzester Zeit zurück. Es war sehr vorteilhaft, dass ich als Vampir viel schneller laufen konnte, als normale Menschen.
Die Hütte lag im Dunkeln, denn inzwischen war es 22 Uhr und auf dem Berg brannte nirgendwo ein Licht. Ich ging ums Haus herum. Nicholas hatte mir nie gesagt, ob
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