Blutige Vergeltung
einige der Scurf als unsere Vermissten hätte identifizieren können.“ Dass ich nicht lache, Scurf sehen doch alle gleich aus! „Oder wenn ich diesem Stinktier-Dämon ein paar Fragen hätte stellen können.“
„Und ich würde mich wesentlich besser fühlen, wenn du dich nicht gerade freiwillig dazu gemeldet hättest, ins Barrio zu gehen.“ Theron schenkte mir einen bohrenden Blick von der Seite. „Ich nehme an, das ist auch wieder so eine Sache, von der ich Saul nichts erzählen soll?“
„Ich hab nie gesagt, dass du ihm irgendwas nicht erzählen sollst!“ Damit machte ich mich auf den Weg zu meinem Impala, der zwei Blocks von hier in einer günstig gelegenen Gasse stand. Auch dieser Tag würde brütend heiß werden. „Ich gehe nur dorthin, wohin ich gehen muss, Theron.“
„Klingt nach einer Menschen-Angelegenheit.“ Sein Tonfall war vorsichtig und neutral.
„Genauso wie Scurf, wenn man es genau betrachtet.“ Aus jedem einzelnen Wort tropfte der Sarkasmus. „Geh mir nicht auf den Geist, Wer. Ich weiß schon, was ich mache.“
„Immer mit der Ruhe, Jägerin. Ich will nur darauf hinweisen.“ Er rückte mir nicht auf die Pelle, wie Saul es getan hätte. Er roch auch nicht wie Saul, nicht wirklich. Aber er war ihm ähnlich genug, seine massige Statur war ihm ähnlich genug, um mich daran zu erinnern, was ich vermisste.
„Danke.“ Du musst ja nicht mitkommen. Aber das wäre eine Beleidigung gewesen, nachdem Theron sich zu meinem Übergangs-Partner erklärt hatte. Es würde nämlich bedeuten, dass ich kein Vertrauen in seine Fähigkeiten hätte, sich zu verteidigen.
Was solche Dinge angeht, haben Werwesen komische Ansichten.
Anscheinend hatte er beschlossen, dass er mich genug drangsaliert hatte. „Wann willst du los?“
Also wenn ich auf den Einbruch der Nacht warte, wird es ja wohl nur noch gefährlicher. Andererseits sollte man das Tageslicht nutzen, um die Scurf zu jagen. „Wenn die anderen während der Razzien irgendwas finden, bekommst du doch sofort Bescheid, oder?“
„Natürlich.“ Er klang nicht mal beleidigt, weil ich gefragt hatte. „Glaubst du, es gibt eine Verbindung?“
Vom Fluss wehte eine heiße Brise heran und verwuschelte mir das Haar. Carp hatte gar keine Bemerkung darüber fallen lassen, dass ich mitgenommen und erschöpft aussah. Schummriges Licht und das Frühstück hatten mir wohl gutgetan, auch wenn ich mit meinem Look sicher nie einen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. „Zwischen was?“
„Den Scurf und dem hier.“
Heiliger Bimbam, ich hoffe nicht! „Weiß nicht. Ich gehe nicht davon aus. Es gibt keinen offensichtlichen Zusammenhang.“ Aber er wusste genauso gut wie ich selbst, dass ich es auch nicht ausschloss.
Das verdaute er erst mal. „Irgendwas war faul an der Sache. Sie waren zu alt, und es waren zu viele.“
Genau mein Gedankengang. „Ich weiß. Aber eine Höllenbrut, die ein Scurfnest stürmt …“ Eine winzige Kleinigkeit passt nicht ins Bild, und sie stellt das Gesamtkonzept völlig auf den Kopf „Wenn das so weitergeht, muss ich wohl andere Saiten aufziehen.“
„So, so.“ Er hielt sich eindeutig zurück, einen Klugscheißer-Kommentar dazu abzulassen. „Welche denn zum Beispiel?“
„Zum Beispiel eine riskante.“
„Riskanter als das Barrio?“
Ein Besuch bei Perry lässt das Barrio wie Zuckerschlecken aussehen, Wer. „Viel schlimmer, Theron. Und jetzt halt die Klappe, ich muss nachdenken.“
„Und ob!“
Ich ließ es ihm durchgehen. Manchmal muss ein Wer einfach das letzte Wort haben. Dann fühlen sie sich besser.
14
Das Barrio von Santa Luz ist keine Barackenstadt, auch wenn es dort zwischen den „Vororten“ und der „Wüste“ tatsächlich einen ganzen Wald an Bretterbuden gibt, wo sich selbst die Werwesen nur paarweise durchtrauen, wenn sie auf Patrouille sind. Dort liegt das Plaza Centro, das früher mal ein Bahnhof war, aber nun ein Mercado mit einem riesigen Zwischengeschoss ist – das Zentrum des brodelnden Barrios. An jeder Ecke gibt es Bodegas, und überall findet man katholische oder Pfingstkirchen, manchmal sogar in verlassenen Ladenflächen.
Der Rest des Barrios besteht aus ruhigen Straßen voll wachsamer Bewohner. In dieser weitläufigen Ansiedlung kommt es recht selten zu Gewaltausbrüchen, aber sie scheinen immer nur einen Herzschlag entfernt. Es ist ein Gefühl, als hingen dicke Sturmwolken über deinem Kopf, aus denen jeden Moment, bei der kleinsten Provokation, Blitze fahren können.
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