Blutige Vergeltung
schlecht.
Selbst mein Impala, der am Randstein parkte, war völlig unangetastet, was darauf schließen ließ, dass jemand gesehen hatte, wie wir in Ramons Haus verschwunden waren. Auch das war gut.
Drei cholos, die trotz der Hitze Flanellhemden trugen, passten auf den Wagen auf. Als ich anstelle von Theron auf die Fahrerseite zuhielt, wirkten sie amüsiert. Die Neuigkeit von der Gleichberechtigung von Frauen war ins Barrio noch so gut wie gar nicht vorgedrungen. Trotzdem würde es keiner der vatos, die hier herumlungerten, wagen, ihre abuelita zu beleidigen oder nicht mit dem gebührenden Respekt zu behandeln – egal, wie cool diese mexikanischen Grünschnäbel auch waren, ihre Großmütter gingen ihnen über alles. Wenn sie noch eine hatten.
Beinahe hatte ich schon gedacht, wir würden die Straße völlig ungeschoren wieder verlassen.
„Hey, goto“, rief einer der Kerle. „Wer ist denn die mamacita puta?“ Darauf folgte noch ein ganzer Schwall Gossenspanisch. Im Wesentlichen wollte er wissen, wie viel man für ein paar wilde Stunden mit mir zahlen müsse. – Wenn der betroffene cholo so ausgesehen hätte, als würde er überhaupt einen hochkriegen, wäre das sogar witzig gewesen.
Oh, wie ich es hasse, wenn Männer mich plump anbaggern! Nicht, dass es mir wirklich etwas ausmacht – immerhin ist es schon Ewigkeiten her, dass ich die Lucado Street im Rotlichtviertel auf und ab gestakst bin. Aber ich verabscheue es aus tiefster Seele. So sehr, dass meine Hand jedes Mal wie von selbst zur Waffe greift.
„Weiß eigentlich jeder im Barrio, dass du ein Wer bist?“, fragte ich über das Autodach hinweg und widerstand sowohl dem Drang, mich sofort in den Fahrersitz fallen zu lassen, als auch dem, eine Waffe zu ziehen. Ein dünner Schweißfilm überzog meine Stirn, ein zweiter kitzelte mich am Rücken.
Nur nicht die Nerven verlieren, Jill Es ist nur ein vorlauter kleiner Junge. Fahr jetzt bloß nicht aus der Haut.
„Nicht jeder.“ Wieder ließ Theron seine Beißerchen aufblitzen. Er war genauso gereizt wie ich. „Aber hier weiß man, wie man uns erkennt. Nur Gringos sind zu dumm dazu.“
Vielen Dank auch! Aber der schwarze Humor half, meine Laune etwas zu heben. „Stimmt.“ Ich hörte die Schritte hinter mir, blieb aber locker. Lediglich meine Hand bewegte sich einen knappen Zentimeter und machte sich bereit, das Feuer zu eröffnen, falls es nötig wurde.
Das sind Zivilisten, Jill. Du könntest ihnen ein paar Freischüsse Vorsprung geben, und trotzdem wirst du ihnen himmelhoch überlegen sein.
Doch auch Zivilisten können einen Glückstreffer landen, manchmal sogar einen Kopfschuss. Und ich hatte wirklich keinen Bock darauf, heute noch einmal zu sterben. Ich drehte mich um und hörte, wie Theron scharf die Luft einsog, als bereite er sich schon mal vor.
Einen Augenblick lang war ich nahe daran, wütend zu werden. Andererseits konnte ich es ihm nicht übel nehmen, wenn er nervös war. Ich war ja selber ein ziemliches Nervenbündel, und Jäger haben nicht umsonst den Ruf, unberechenbar zu sein.
Das Bürschchen, das am Gehsteig stand, konnte nicht älter als vierzehn sein. Aber seine dunklen Augen waren so leer wie ein brachliegendes Grundstück – eine Leere, die ich selten bei Nicht-Nachtschatten sehe. Akne überzog sein schmales Gesicht, und man konnte nicht sehen, wie lang sein Haar war, weil er es an den Kopf gegelt und in einem Haarnetz verstaut hatte, das an seiner feuchten braunen Stirn klebte. Er trug ein leuchtend weißes Unterhemd über einem schlanken, muskulösen Oberkörper. Und allein seine Art, sich zu bewegen, verriet mir, dass er eine Waffe trug.
Er blieb stehen, musterte mich, und mir rann ein Schauder über die Haut. Meine Narbe erwachte erneut.
Selbst unter normalen Menschen, die nichts mit der Schattenwelt zu tun haben, gibt es Mörder.
Dieser hier stand lässig und breitbeinig da, seine stumpfen Augen wanderten kurz über meinen Körper, allerdings nicht mit der typischen Art normaler Männer, die Brüste, Hintern und Sexappeal ausloteten. Nein, dieser junge Mann sah aus, als überlege er, wie wahrscheinlich es war, dass ich mich mit ihm anlegte. Und er kam wohl zu dem Schluss, dass meine Kampfbereitschaft nichts mit meinem Geschlecht zu tun hatte.
Das Barrio ist doch immer wieder für eine Überraschung gut, Jill. Ich begutachtete ihn, und meine Hand schob sich ein Stück weiter auf meine Pistole zu.
Er stand völlig ruhig. Verlagerte nicht einmal sein Gewicht. Trotzdem lag
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