Blutige Vergeltung
trug er eine ‚45er im Hosenbund und sah aus, als würde er sich notfalls lieber die eigenen Eier wegballern, als Abstriche in puncto Machismo zu machen.
„He.“ Er begrüßte Theron mit einer lässigen Handbewegung. Mich sah er nur kurz an, ließ den Blick auf meinen Brüsten verweilen, schenkte meinen Pistolen und Messern absolut keine Beachtung und wandte sich dann Theron zu. „Paquito ist ein beschissener Idiot. Willst du n Bier, ese?“
„Unbedingt. Das hier ist Kismet. Bruja grande.“ Damit machte es Theron für Ramon im Wesentlichen unmöglich, mich abzuwimmeln.
Das Gangmitglied beäugte mich. Und ich erwiderte seinen Blick durch die Gläser meiner Brille. Mein Herzschlag hatte sich inzwischen normalisiert. Manchmal meint der Körper, mit einem Anfall und indem er sich unglaublich reinsteigert, könne er Tod oder Verletzungen vorbeugen, nachdem sie passiert waren.
Aber man kann ihm deswegen wohl keinen Vorwurf machen. Immerhin ist er damit immer noch klüger als der Trottel, der sich mit Gewalt in jede Gefahr stürzt.
Ramon schwieg. Noch hatte er keine Entscheidung getroffen. Ich schob die Sonnenbrille ein Stück vor und präsentierte ihm meinen eindrucksvollen Blick.
Er nahm es ganz gut auf, wurde nur blass und trat einen Schritt zurück. Unter meinem Armband prickelte die Narbe und reagierte auf den plötzlichen Nebel aus blutfarbener Angst, der die Luft erfüllte.
Verflucht, Jill. Nein, sie wächst nicht!
Theron legte beschwichtigend eine Hand auf meine Schulter. „Sie mag bestimmt auch gern ein Bier.“
Ramon nuschelte etwas Unverständliches, wahrscheinlich ein Gebet. Aber als ich mich weder in Luft auflöste noch vor Schmerz aufheulte, zuckte er lediglich mit den Schultern. „Dann kommt mit nach hinten. Was wollt ihr hier?“
Das war mein Stichwort. „Pedro Ayala.“ Mehr sagte ich dazu nicht.
Ramon trat noch ein Stückchen zurück. Sein Blick wurde misstrauisch. Instinktiv wollte er zur ‚45er greifen, besann sich jedoch rasch eines Besseren. „Wozu? Der ist tot.“
Noch entspannte ich mich nicht, aber ich war froh, dass seine Hand jetzt nicht mehr in unmittelbarer Nähe seiner Knarre war. „Wer auch immer ihn ermordet hat, macht mir und den Meinen das Leben schwer.“ So direkt hatte ich das eigentlich gar nicht sagen wollen. „Ihr seid nicht die Einzigen, die sich um ihre Leute kümmern.“
Gangbosse, zumindest wenn sie klug sind, verstehen sich auf Loyalität. Dieser hier sah nicht wie ein Dummkopf aus, und er war zudem fähig, seine Meinung zu ändern. Beides gute Voraussetzungen, aber man konnte ja nie wissen.
Ramon musterte mich, und sein kalter Blick schien sich kein Stück für mich zu erwärmen. „Pedro war einer deiner Leute?“
Er war ein Cop. Damit gehörte er automatisch zu meinen Leuten. „Ja. Und ich bin auf der Suche nach demjenigen, der ihn durchlöchert hat, senor.“ Das ließ ich fünf lange Sekunden einfach so stehen. „Außerdem hätte ich gerne ein Bier.“
Der Bandenboss musterte mich noch immer kühl, aber seine Schultern entspannten sich. Einmal mehr begutachtete er mich von Kopf bis Fuß, dann machte er mit Theron weiter, der die Hände ausbreitete und auf diese besondere Art die Schultern zuckte, die Werwesen zu eigen war und keinerlei Meinung preisgab, aber das höfliche Einverständnis signalisierte, dass er weiter zuhören werde.
Das Jucken in meinen Fingern, die sich eben noch nach einer Pistole gesehnt hatten, hörte auf, und auch die Narbe ließ das Kitzeln, als Ramons Angst nicht länger die dicke Luft der Eingangshalle durchtränkte.
Offensichtlich beschloss Ramon, dass es nichts schaden konnte, gastfreundlich zu sein. „Komm mit in die Küche, bruja. Dann erzähl ich dir von Ay.“
15
Es wurde eine halbe Stunde, die sich lohnte.
Sie endete damit, dass ich ein Kopftuch in den Farben der 51s bekam, zusammen mit einer kurzen Einweisung, wie man es zu tragen hatte und wo im Barrio man sich damit nicht blicken lassen sollte. Außerdem erhielt ich eine Komplett-Zusammenfassung zum Fall Pedro Ayala – inklusive der Beschreibung des Tatorts und angeblicher Zeugen, und auch, wo man diese finden konnte. Ramon versprach mir, ein paar Leute anzurufen, damit man mich mit gebührender Höflichkeit in Empfang nahm und nicht mit einem Kugelhagel, wenn ich im Gebiet der 51s von Tür zu Tür ging, um Fragen über einen ermordeten Cop zu stellen.
Das war mehr, als ich mir erhofft hatte. Und auch das Bier war gar nicht mal so
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