Blutige Vergeltung
Spannung zwischen uns in der Luft.
Zum Glück hatte er den Stimmbruch schon hinter sich. Hätte er eine Fiepsstimme mit spanischem Akzent gehabt, hätte ich mir das Lachen bestimmt nicht verkneifen können -schon allein, weil dieser Gegensatz absolut lächerlich gewesen wäre. Und das hätte böse Folgen haben können.
„Sie suchen nach Ay, senora?“ Ein heller Tenor, kein Piepsen. Er hakte seine Daumen in die Taschen seiner sorgfältig gebügelten Chinohose und presste den Mund zu einer schmalen Linie.
Was sagt man dazu! Gerüchte verbreiten sich hier aber schnell. „Pedro Ayala ist tot, senor.“ Ich bemühte mich um einen respektvollen Ton und würgte auch diesmal ein ungutes Lachen ab. Einfach war das nicht, meine Lippen wollten schon zucken. „Und ich würde die Verantwortlichen gern zur Rechenschaft ziehen.“
Ein Funken von Interesse tauchte unter seinen strengen, geraden Augenbrauen auf, starb aber einen schnellen Erstickungstod. „Warum wollen Sie das tun?“
Jetzt fiel es mir zunehmend schwerer, mich zusammenzureißen. Mir riss langsam der Geduldsfaden. Nur die Ruhe, Jill. Er ist noch ein Kind. „Warum willst du das wissen?“
Er streckte die dürren Schultern und reckte das Kinn vor. Die Sonne beschien seine schmalen Arme und eine Brust, die an einen Trichter erinnerte. Die missmutige Wut, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, war schockierend heftig -ebenso wie der Moment, als dieser Gefühlsausbruch so rasch, wie er gekommen war, wieder verschwand und der Kleine so gleichmütig wie vorher war.
Was als Nächstes kam, traf mich völlig unvorbereitet. Er streckte die rechte Hand aus und hielt sie mir hin. „Gilberto Rosario Gonzalez-Ayala“, sprach er in völlig monotonem Tonfall. „Ay war mi Hermano.“
Dein Bruder also. Mich juckte es in der Nase, und die Hitze war drückend, auch wenn sie nicht reichte, mich zum Schwitzen zu bringen. Mein ganzer Rücken prickelte, so verwundbar kam ich mir vor. „Man hat mir berichtet, dass man ihn in die Lunge geschossen hat und er an seinem Blut erstickt ist, senor.“ Ich sprach ebenso neutral wie er. „Wer auch immer das getan hat, springt auch mit anderen so um. Sogar noch schlimmer. Und ich werde dem ein Ende setzen.“ Langsam schüttelte ich seine Hand und passte auf, nicht zu fest zuzudrücken. Höllisch starke Finger können verdammt unangenehm hart zupacken.
Er hatte da keine Bedenken und griff mit erstaunlicher Kraft zu. Sein kompletter Arm spannte sich an. „Dann passen Sie bloß gut auf sich auf, chiquita.“
Jetzt ist’s aber genug! Ich verdoppelte den Druck und sah zu, wie seine Augen groß wurden, als etwas in seiner Hand knackte. Es klang wie ein Knochen. Ich blickte nach unten, schenkte ihm einen Blick über den Rand meiner Brille hinweg und setzte ein breites, strahlendes und unfassbar falsches Lächeln auf. „Danke für die Warnung.“ Dramatische Pause. „Senor.“
Möglich, dass das ein Fehler gewesen war, aber ich mag keine Drohungen oder versteckten Warnungen. In meinem Job bekommt man es jeden Tag damit zu tun, und dadurch verlieren sie ziemlich schnell ihre Wirkung. Gähn!
Jetzt kam Leben in diese gelangweilten Augen, und die Veränderung ließ ihn wie einen kleinen Jungen erscheinen. Abgesehen von den Pickeln und dem Haarnetz natürlich. „Ist keine Warnung. Nur ’ne Tatsache.“
Ich gab ihm seine Hand zurück. Ein Kräftemessen mit einer Jägerin, du Mini-Gangster? Nicht gerade der beste Weg für ein langes Leben. „Da bin ich mir sicher, Gilberto.“ Ein Vorteil, wenn man so lang wie ich schon in Santa Luz lebte: Die Aussprache war absolut einwandfrei. „Gracias.“
Sein schmales Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wodurch er sogar attraktiv gewirkt hätte, wenn die vielen Aknepusteln nicht gewesen wären. Dieser Junge würde böse Narben davontragen, und mit (Lesen erloschenen Augen …
„Sie können mich Gil nennen, chiquita.“ Mit einer flinken Bewegung seiner dünnen braunen Finger steckte er sich eine Zigarette an. „Sie kümmern sich um den, der Ay auf dem Gewissen hat. Dann kommen Sie zurück zu nuestra casa hier. Ich geb ’n Bier aus.“
Danke, Kleiner. Als ob du alt genug zum Trinken wärst. „Ich komm drauf zurück.“ Wo sie steht und geht, schließt sie neue Freundschaften und bringt die Leute auf den rechten Weg – so ist sie, die nette Jägerin von nebenan.
„Jill?“ Theron hatte diesen speziellen Tonfall drauf, so zwischen Was zum Teufel treibst du da und Können wir jetzt
Weitere Kostenlose Bücher