Blutiger Frühling
rotgoldene Sonnenstrahlen. Der Frühling hatte sich durchgesetzt. Die gespeicherte Wärme eines herrlichen Tages strahlte schon von den Steinen ab. Aber die Weingärten an den steilen Hängen, in denen es überall schon grünte, schienen in atemloser Stille dazuliegen; nicht einmal Vogelzwitschern war zu hören an diesem vierten Tag im April.
Hannes Rebmann saß auf einem dicken Steinquader abseits der Kameraden, die mit Feuermachen beschäftigt waren. Längst nicht alle seine Männer hatten innerhalb der Mauern einen Schlafplatz gefunden; das Kloster Schöntal gehörte zwar zu den großen Abteien, und die Mönche hatten alle gehen müssen, aber mit Georg Metzlers Heerhaufen, der heute eingetroffen war, zählte das Bauernheer jetzt an die achttausend Mann – die Stückmeister mit den Kanonen, die Arkebusiere und die Leute vom Tross nicht eingeschlossen. Und darum blieb nichts anderes übrig, als im Umfeld des Klosters ein Lager zu errichten.
Hannes selbst würde, wenn die Sonne untergegangen war, in einer der verlassenen Klosterzellen seinen Schlafplatz finden. Er war schließlich von seinen Kameraden zum Hauptmann gewähltworden und hatte Sonderrechte. Dem Moment, da er endlich den berühmten Jakob Rohrbach, den Georg Metzler und die anderen Hauptleute kennen lernen würde, fieberte er regelrecht entgegen.
Hannes Rebmann stand auf und streckte sich. Mit einem kurzen Blick auf den Schmiedejörg und den Schweineheinz, denen es inzwischen gelungen war, ein Feuerchen zum Flackern zu bringen, wandte er sich der Klosterpforte zu. Deren breite Torflügel standen weit offen – ein höchst ungewöhnlicher Anblick bei einem Kloster. Als die Mönche geflohen waren – vor drei Tagen, gleich nach dem Sturm der Bauern auf das Kloster –, hatten sie so gut wie nichts mitnehmen können. All die guten Dinge – die Würste und Schinken, die Speckseiten und die Fässer mit dem Pökelfleisch – hatten sie in den Speisekammern zurücklassen müssen in der Hast ihres Auszugs.
Jakob Rohrbach, der Wirt zu Böckingen, hatte das Kloster an der Jagst erobert und die Mönche vertrieben. Und heute nun war der andere der Gewaltigen des Bauernheeres, der Wirt zu Ballenberg mit Namen Georg Metzler, mit seinen Leuten hier angekommen. Man würde Kriegsrat halten an diesem günstig gelegenen Ort. Und für den morgigen Tag erwartete man noch das Eintreffen eines weiteren bewaffneten Haufens unter der Führung eines gewissen Geyer.
Ein bisschen verlegen fühlte sich Hannes Rebmann schon bei dem Gedanken daran, dass er auch zu den Hauptleuten gehörte. Ausgezogen war er mit den dreiundvierzig Männern von daheim und aus den umliegenden zwei Dörfern; doch im Verlauf der Reise waren immer mehr einzelne Männer zu seiner kleinen Schar dazugestoßen, und nun zählte der Trupp, den er befehligte, beinahe sechzig Mann. Aber verglichen mit den Tausenden unter Jäcklein Rohrbachs Führung war das so gut wie nichts ...
Hannes spannte noch einmal die Schultern. Mut, befahl ersich. Halte dich gerade, Junge. Zeige ihnen allen, dass du das Zeug zum Hauptmann hast. Er winkte dem Schweineheinz. »Einstweilen einen schönen Abend«, rief er ihm zu, »ich komme später wieder zu euch zurück und berichte, was sich bei der Besprechung ergeben hat!«
»Wenn wir dann noch nüchtern genug sind, um dir zuzuhören«, antwortete der Schweineheinz mit einem breiten Grinsen. »Ich glaub, wir werden viel zu besoffen sein – und außerdem hab ich mir ’n knuspriges Weibchen angelacht ... aus dem Hellen Haufen von Krautheim. Die vertreibt mir die Zeit besser als du, Rebmann!«
»Wirst mich trotzdem anhören müssen«, sagte Hannes halb ärgerlich, halb belustigt. »Also sieh zu, dass du noch einigermaßen wach bist, wenn ich wiederkomme. Und halte auch den Jörg vom übermäßigen Saufen ab. Wir sind hier nicht auf der Kirmes, sondern auf einem Feldzug!«
Die Gewaltigen des Bauernheeres hatten sich im Refektorium zusammengefunden und saßen an den langen Tischen, die bis vor einigen Tagen allein den Mönchen vorbehalten gewesen waren. Als Hannes Rebmann den Saal betrat, trugen mehrere auffällig herausgeputzte Frauen gerade das Essen auf – mächtige Schweinebraten, Platten, auf denen geschmorte Hühner gestapelt lagen, Berge von frisch geschnittenen Brotscheiben und Schüsseln voller geräucherter Würste. Ein Fass Wein stand an der Wand aufgebockt, bereit, angestochen zu werden.
Beim Anblick der Frauen, die hier offenbar bei Tisch bedienten, spürte
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