Blutiger Frühling
Vater«, antwortete der Reiter. »Was höre ich? Ihr seid nicht wohlauf?«
Der alte Mann hustete. »Wer sagt das?«, raspelte er. »Derjenige soll zur Hölle fahren!«
»Alle meinen es, Vater«, gab der Reiter trocken zurück. »Irren sie sich?«
»Sie irren sich.« Der alte Mann versuchte im Bett hochzukommen, brachte es aber nicht fertig und ließ sich wieder in die Kissen sinken. »Gib mir drei, vier Tage, und ich reite wieder aus.«
»Magdalene berichtet mir«, begann der Reiter, »Ihr hättet –«
»Das Rabenaas!« Der alte Mann hustete noch einmal. »Ihr Leben lang hat sie nichts anderes getan, als wieder und wieder geunkt und Unheil prophezeit! Dabei müsste sie doch die Erfahrung gelehrt haben, dass ein Wolf von Weißenstein so leicht nicht aus dem Sattel gehoben werden kann!«
Magdalene war inzwischen eingetreten und hatte sich in der Nähe des Bettes postiert. Sie hob den Finger und drohte dem alten Mann. »Auch ein Wolf von Weißenstein unterliegt den Gesetzen Gottes, Herr Eberhart«, sagte sie ruhig. »Auch Ihr müsst irgendwann vor Euren Richter treten. Bedenkt es wohl!«
»Irgendwann, alte Unke«, sagte der Alte heiser, »aber jetzt noch nicht. Ich weiß genau, mir bleibt noch etwas Zeit!«
»Seid Ihr da so sicher?«, wandte Magdalene ein und heftete den Blick ihrer grauen Augen auf das Gesicht ihres Herrn. »Ist es nicht vielmehr so, dass der Allmächtige Euch diesmal Einhalt geboten hat?«
Der Alte wurde zornig. Sein Gesicht, das bis jetzt bleich gewesen war, rötete sich, und an seiner Schläfe begann eine Ader zu pulsieren. »Dummes altes Weib«, fuhr er Magdalene an, »von Ammendiensten magst du etwas verstehen – hast mir meinen Sohn recht kundig großgezogen. Aber alles andere kann dein einfältiger Kopf doch nicht fassen! Kümmere dich nun darum, dass die Mägde ihre Arbeit tun – da Albrecht deine Dienste nicht mehr braucht – und behalte ansonsten deine Weisheiten für dich!«
Die Alte ließ sich nicht einschüchtern. Sie trat an die Seite ihres Herrn und drückte ihn energisch in die Kissen zurück, denn er hatte wieder versucht, sich aufzusetzen. »Herr Eber- hart«, erwiderte sie streng, »Ihr mögt es wenden wie Ihr wollt – Gott lässt nicht mit sich handeln. Eure Zeit ist abgelaufen, das sagte auch der Medicus, der Euch untersucht hat.«
»Der unfähige Quacksalber?« Herr Eberhart lachte auf. »Woran will der denn erkennen, wann ich abtrete? Er hatte keine Ahnung. Faselte was von Schlagfluss und schlechten Säften ...«
»Das meine ich auch, Herr«, sagte Magdalene ungerührt. »Der gütige Gott hat Euch bloß noch eine Gnadenfrist gelassen, damit Ihr Eure Angelegenheiten ins Lot bringen könnt. Und bedenkt, was Euch unser hochwürdiger Herr Pfarrer riet...«
Herr Eberhart sah seinen Sohn an und rollte mit den Augen. »Als ob ich das vergessen könnte«, stöhnte er. »Noch jetzt triefe ich vom heiligen Crisam, das dieser Pfaffe über mich ausgegossen hat ... meine Haare sind so fettig wie meine Stirn und meine Hände. Vergiss nicht, mir eine Magd mit einer Schüssel Wasser und etwas Seife heraufzuschicken, wenn du mich späterwieder verlässt. Ich muss mich unbedingt reinigen von all dem geweihten Schmieröl!«
Die alte Magdalene unterdrückte eine erschrockene Bemerkung. Der Reiter schaute ernst drein. »Ihr habt bereits die Sakramente erhalten, Vater?«, fragte er. »Wann war das?«
»Zum Teufel, Albrecht ... als sie mich herbrachten!« Herr Eberhart ballte die dürre Faust. »Sie dachten, ich hätte das irdische Jammertal hinter mir – aber weit gefehlt! Einen Wolf von Weißenstein erklärt man nicht so schnell für tot. Noch lebe ich – und es ist noch nicht heraus, wann mich der Teufel holt!«
»Herr – ich bitte Euch«, sagte die alte Magdalene.
»Nun gut«, knurrte Herr Eberhart mürrisch, »es ist also noch nicht heraus, wann ich in die Grube fahre. Bis dahin –«
»Erzürnt den Himmel nicht über Gebühr«, unterbrach ihn Magdalene.
»Hexe«, donnerte der alte Edelmann in einem plötzlichen Wutanfall, »du hast meine Geduld jetzt über Gebühr in Anspruch genommen. Hinaus – was ich von nun an zu sagen habe, ist allein für die Ohren meines Sohnes bestimmt!«
»Herr«, wollte Magdalene einwenden. Doch der Alte ließ sie nicht mehr zu Worte kommen. »Hinaus!«, schrie er, während er von neuem dunkelrot anlief, »dein Anblick ist mir ein Gräuel, und ist es immer gewesen! Erspare ihn mir für den Rest des Tages!«
Magdalene senkte den Kopf und zog
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