Blutiger Frühling
und gehe, wie’s mir gefällt – und wohin der Wind mich weht. Im Augenblick gefällt es mir, hier zu sein.«
Anna Elisabeth schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Willst du etwa auch in den Hellen Haufen eintreten und an den Kämpfen teilnehmen?«
»Gott bewahre!« Balzers Lächeln verebbte. »Nein – ich warte.« »Worauf?«
»Darauf, dass die Kämpfe endlich zu Ende gehen und ich meinen Zielen ein wenig näher komme.« Er zeigte sein nichtsnutziges Grinsen.
Anna Elisabeth sah seine schwarzen Augen funkeln. »Wassind denn deine Ziele?«, wollte sie wissen. »Du sagtest doch, du kommst und gehst nach Gutdünken – so, wie der Wind ...«
Er wurde ernst. »Was machst du hier?«, stellte er ausweichend eine Gegenfrage.
»Ich warte auch«, antwortete Anna Elisabeth leise. »Auf deinen Verlobten? Diesen Müller?«
»Nein«, sagte Anna Elisabeth, »auf meinen Gemahl. Und ich bete, dass er unverletzt zu mir heimkehrt.«
»So«, murmelte Balzer. »Dann hast du ihn also schon zum Mann genommen, deinen Müller ...« Sein Blick fiel auf ihre linke Hand. »Und dein Ring stammt wohl aus seiner Beute – der Schatulle irgendeines Edelmannes?«
»Das ja«, gab Anna Elisabeth zurück, »aber ich habe ihn nicht von Hannes Rebmann.«
»Ach? Also hast du doch dem anderen deine Hand gereicht – dem, mit dem du den Kampfplatz verlassen hast ...«
»Ja. Aber es war alles rechtens.«
»Außer, dass du an jenem Abend eine Grenze überschritten hast, die man nicht ungestraft missachtet.«
Sie schoss ihm einen zornigen Blick zu. »Was sagst du denn da?«, erwiderte sie empört. »Ich war ja längst –«
»Gestatte, dass ich dich begleite«, fiel Balzer ihr in die Rede. »Noch ist es sicher in der Stadt, aber das kann ... das wird sich ändern. Spätestens, wenn die Sonne sinkt.« Er warf einen Blick zum Himmel. »In drei, vier Stunden geht der Kampf zu Ende, denke ich...«
»Aber der Mittag ist ja gerade erst überschritten«, sagte Anna Elisabeth. »Und überdies – ich glaube dir kein Wort. Ich brauche deine Begleitung nicht.«
»Erlaube mir trotzdem.« Balzer machte ein so treuherziges Gesicht, dass Anna Elisabeth trotz ihrer Unruhe lachen musste.
»Gut«, sagte sie, »aber ich will, dass du wieder verschwindest, sobald –«»Sobald meine Anwesenheit nicht mehr vonnöten ist«, vervollständigte er ihren Satz. »Das kann ich guten Gewissens versprechen, Mädchen ... verzeih – du bist ja jetzt Frau ...«
Sie gingen gemeinsam weiter. Etwas in Balzers Augen bedrückte Anna Elisabeth plötzlich – sie wusste nicht genau, was es war, aber es erzeugte ein beklemmendes Gefühl in ihr. »Kann es sein, dass du mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hast?«, fragte sie ihn.
»Durchaus«, gab er zurück. Doch weitere Erklärungen bot er ihr nicht.
»Warum?«, forschte sie.
»Weiß nicht«, kam seine ausweichende Antwort. »Es war so eine Laune. Ich richte mich oft nach meinen Launen.«
»Hast du nicht vorhin gesagt, du hättest den Kampf um die Burg beobachtet?«, wechselte sie das Thema. »Was hast du gesehen?«
Er wurde wieder gesprächig, so, wie sie ihn kannte. »Oh«, sagte er, »es war nicht weiter verwunderlich. Die Männer des Hellen Haufens hatten schon gestern Abend die Feldschlangen auf die Mauern des Frauenberges eingerichtet, und heute in aller Frühe begannen sie dann mit der Beschießung. Beinahe alle Schüsse gingen aber fehl, weil die Büchsenmeister der Bauernschaft ihr Handwerk eben nicht verstehen.«
»Was heißt das?« Anna Elisabeth hatte das Donnern der Kanonen ja den ganzen Morgen über gehört und wunderte sich im Nachhinein, dass es seit geraumer Zeit aufgehört hatte. »Ist ihnen das Pulver ausgegangen?«
»Das auch.« Balzer zog ein verächtliches Gesicht. »Schlimmer ist, dass sie die Mauern nicht brechen konnten und darum gezwungen waren, den Angriff nur mit Sturmleitern fortzuführen. Ich schätze ...«, er schloss für einen Moment die Augen, »das wird nicht viel genützt haben.«
»Warum?«, drängte Anna Elisabeth. »Lass mich doch nicht so im Dunkeln tappen!«
Eine Salve von Kanonenschüssen zerriss die Stille. »Jetzt schießen die vom Frauenberg«, kommentierte Balzer. »Das wird die Bauern übel treffen.«
»Woher weißt du, dass es die Kanonen der Verteidiger sind?« Anna Elisabeth spürte, wie sie zu zittern begann. »Die Schüsse klingen doch alle gleich ...«
»Keineswegs.« Balzer heftete den Blick auf Anna Elisabeths Augen. »Das,
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