Blutiger Frühling
Antwort.
»Es gibt keinen anderen Erben außer mir, Vater. Wem wollt Ihr Weißenstein denn anvertrauen, wenn nicht mir?«
»Gut«, wisperte der Alte, »gut denn ... so gebe ich Weißen- stein dem Christoph ... Ich wollte ... ich hätte ... ihn anerkannt...«
»Christoph ... ?« Das war der Junge, der dem Torwächter zur Seite stand. »Du willst den Christoph in mein Erbe einsetzen, Vater?« Albrecht verstand kein einziges Wort von dem, was Herr Eberhart eben von sich gegeben hatte. »Aber der Christoph ist doch –«
» ... mein Sohn«, flüsterte der Alte so leise, dass seine Worte kaum noch vernehmlich waren. »Seine Mutter ... hat mein Bett geteilt ... ein paar Jahre, nachdem die deine gestorben war ...« Erröchelte, fuhr mit der Hand an seine Brust. »Er soll kommen ... lass ihn rufen ...«
»Vater!« Albrecht beugte sich entsetzt über den Alten und griff nach seiner Hand. Sie war eiskalt und zitterte. »Vater – um der Liebe Gottes willen ... was ist Euch?«
»Lass ihn kommen ... !« Noch immer sprach heißer Jähzorn aus dem Alten. »Sofort ... ich dulde ... keinen Aufschub!«
»Vater – wenn Ihr mit mir keinen Frieden machen wollt, dann tut’s wenigstens mit dem Himmel«, sagte Albrecht. »Mir scheint, die Zeit drängt.«
Der Alte heftete den Blick auf seinen Sohn und stieß ein kurzes Lachen aus. Es klang hohl und atemlos. »Was brauche ich ... Pfaffengeleier ...«, kam es über seine blassen Lippen. »Ein freier burggesessener Herr ist niemandem etwas schuldig – nicht einmal ...«
»Ihr versündigt Euch«, fuhr ihm Albrecht in die Rede.
»Nicht mehr ... als ich mich schon ... versündigt habe ...«
»Dann lasst Euch freisprechen.« Albrecht drückte die knochigen Finger seines Vaters. »Danach wird Euch wohler sein, und der Segen des Himmels bewirkt vielleicht, dass Ihr klarer seht.«
»Ich sehe ... klar genug«, wisperte der Alte mühsam. »Du bist vom Wolf... zum Hund geworden ... und nicht mehr würdig ... einer meines Stammes ... zu sein ...«
Albrecht spürte, wie auch in ihm Zorn aufstieg. Er ließ die Hand seines Vaters wieder fahren, wandte sich wortlos ab und ging zur Tür. Draußen auf dem Korridor warteten die alte Magdalene und ein Mädchen, das Essen für den Kranken hatte bringen wollen. »Lauf«, befahl ihr der Jungherr, »der Priester soll heraufkommen, falls er noch anwesend ist. Wenn nicht, lass ihn holen – und auch den Christoph. Herr Eberhart verlangt nach ihm.«
Die kleine Magd riss erschrocken die Augen auf. Dann reichte sie Magdalene die Suppenschüssel, drehte um und ranntemit fliegenden Röcken die Treppe hinunter. Magdalene heftete den Blick auf ihren jungen Herrn. »Dann hab ich mich doch nicht geirrt«, murmelte sie wie zu sich selbst.
»Wusstest du es?«, fragte Albrecht.
»Was? Dass Herr Eberhart sterben wird?«
Albrecht schüttelte den Kopf. »Das mit Christoph«, erwiderte er ungeduldig.
»Was soll mit ihm sein?«
Magdalene stellte sich dumm. Doch ihr junger Herr merkte es sofort. »Steh mir Antwort, Magdalene. Hast du es gewusst?«
Sie lächelte. Doch die winzige Bewegung ihrer Mundwinkel hatte nichts Fröhliches. Dann nickte sie. »Aber Euer Vater hat ihn nie anerkannt«, erklärte sie leise.
»So sagte er mir. Warum nicht?«
»Der Junge war ihm gleichgültig. Er ist ja nur ... ein Bastard.«
Albrecht ließ die Augen nicht vom Gesicht seiner alten Amme. »Magdalene – Christophs Mutter«, forschte er, »lebt sie noch unter diesem Dach?«
»Schon lange nicht mehr«, kam die Antwort. »Sie starb im Kindbett, genau wie Eure edle Mutter – Gott gebe ihr Frieden ...« Die Alte bekreuzigte sich und senkte den Blick zu Boden. »Sie war ein hübsches junges Ding, die Käthe ... und der Junge hat sie bei der Geburt zerrissen. So, wie Ihr Eure Mutter zerrissen habt ...«
Albrecht stockte für einen Augenblick der Atem. Bis heute hatte er über die Umstände seiner Geburt nicht viel gewusst. Was die Amme gerade verraten hatte, kam unerwartet für ihn. »War sie so zart?«, fragte er.
»Nein.« Die Amme hob den Kopf und spähte ihrem jungen Herrn ins Gesicht. »Nein – sie war hoch gewachsen und sehr kräftig, nicht anders als die Käthe.«
»Wie konnte den beiden Frauen dann solches Unheil geschehen?«, wollte Albrecht wissen.
Magdalene war sehr ernst. »Die Söhne, die die Herren von Weißenstein zeugen, sind oftmals allzu groß bei ihrer Geburt«, antwortete sie nachdenklich. »Herr Eberhart lachte, als er erfuhr, dass du anderthalb Ellen lang
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