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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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im Stall hatte liegen lassen, war groß genug gewesen und hatte dazu ausgereicht. Geistesabwesend streichelte sie mit dem kleinen Finger über die weiche, flauschige Wolle. Hatte der Fremde seine Decke nur vergessen – oder hatte er sie als zusätzliche Zahlung für Unterkunft und Speise gedacht? Anna Elisabeth wusste es nicht. Sie vermutete das Erstere, denn er war schon ein wunderlicher Kerl gewesen, dieser Albrecht Hund aus Schwarzental...
    »Was hast du, Annelies?«, fragte Mariechen. »Du machst so ein finsteres Gesicht.«
    »Ich denke, du solltest schnell heimlaufen«, wich Anna Elisabeth aus. »Ganz bestimmt warten dein Vater und die anderen schon mit dem Essen – Gertrud hat heute Hirsebrei gekocht.«
    »Mit Sirup?«
    »Mit Salz.«
    Das plötzliche Leuchten in dem Augen des Kindes verschwand wieder. Dann kehrte es zurück. »Mit Salz schmeckt’s auch gut«, sagte Mariechen, »nur ohne alles nicht ...«
    »Freu dich auf den Kirmesweck«, empfahl Anna Elisabeth lächelnd. »Jetzt ab mit dir. Später kommst du dir deinen neuen Mantel abholen – und ein Butterbrot.«
    Das Kind nickte begeistert und sauste los. Seine Füßchen steckten in nagelneuen ledernen Bundschuhen – festen, solide benagelten kleinen Stiefeln, wie der Müllerhannes sie vor ein paar Tagen für alle Kinder des armen Matthias gemacht hatte. Überhaupt hatten sich alle aus dem Dorf daran beteiligt, die Not der Familie ein wenig zu lindern. Matthias und seine Kinder würden diesen Winter sicherlich nicht mehr darben müssen als alle anderen auch.
    Anna Elisabeth stand auf und ließ die Kleine hinaus. Einen Augenblick blieb sie an der Tür stehen und schaute zum Weiher hinüber, der jetzt, an zwei Seiten umrahmt von braunem Schilf, in bleigrauer Glätte dalag. Die Buchen, die dahinter zu sehen waren, prangten in goldenem Herbstlaub, das an einem trüben Tag wie heute beinahe den Sonnenschein ersetzte. Von dort hinten, wo der Waldweg begann, war sie damals mit dem fremden Reiter ins Dorf gekommen – bei Einbruch der Dunkelheit war das gewesen, und sie erinnerte sich sonderbarerweise noch in allen Einzelheiten daran.
    Er hatte freche Reden geführt. Doch was er in der Stube mit den Männern gesprochen hatte, das hatte Hand und Fuß gehabt.Er hatte sich aufgeführt wie einer, der das Befehlen gewohnt war – aber sein Gewand war abgetragen gewesen.
    Sie atmete tief ein und ging wieder in die warme Stube. Der Wind pfiff heute besonders kalt. Sie warf noch ein Scheit aufs Feuer. Funken sprühten, wirbelten hinauf in den Kamin. Wo er jetzt wohl sein mochte, der fremde Reiter? Sie hatte ja bei seiner Abreise kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Zu sehr hatte sie sich geschämt, weil sie doch wie ein kopfscheues Rindvieh vor ihm davongelaufen war, im Stall, am Abend zuvor ...
    Nachträglich schüttelte sie den Kopf. Alles, was recht war – aber ein überheblicher Tropf war dieser Albrecht Hund schon gewesen, und es ging gar nicht an, dass sie immer noch an ihn dachte. Bald musste der Vater heimkommen, der heute zusammen mit dem Hannes in der Mühle eine neue Maische fürs Bier hatte ansetzen wollen. Wenn dann die Grütze nicht fertig war, würde es wohlverdiente Schelte setzen – abgesehen davon, dass ja auch das Mäntelchen noch fertig werden sollte.
    Sie nahm den Breikessel, füllte ihn aus dem Eimer zur Hälfte mit Wasser und setzte ihn ans Feuer. Das Breimehl, eine Mischung aus grob gemahlener Gerste und zerstampftem Hafer, kam als Nächstes hinein. Sobald das Gericht zu dampfen begann, musste kräftig gerührt werden; der Vater liebte es gar nicht, wenn sein Essen angebrannt war.
    Anna Elisabeth widmete sich dem Rühren mit Hingabe. Dabei überlegte sie angestrengt, womit sie die tägliche Speise heute verbessern konnte. Speck war keiner mehr da; auch an Gemüse standen ihr nur Kraut und Rüben zur Verfügung, und die schmeckten nicht zur Grütze.
    Der Brei war beinahe gar. Einen großen Teil des vorhandenen Salzes hatte Anna Elisabeth heute Matthias’ ältester Tochter, der Gertrud abgetreten. Was war mit Lauch oder Zwiebeln? Davon hatte sie reichlich.
    Sie rückte den Breitopf vom Feuer und nahm die Pfannevom Wandhaken. Zwiebeln waren die richtige Wahl für heute. Wenn man sie über dem Feuer schälte, tränten die Augen nicht so. Nun die Pfanne ans Feuer – hurtig, Annelies. Himmel, war die schnell heiß ... schon rauchte sie beinahe! Schmalz hinein – einen Löffel voll, mehr nicht. Nun die Zwiebeln schneiden und schön braun braten ...

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