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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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waffenloser Edelmann König.«
    Hinzheim wusste nicht recht, was er von dieser Antwort halten sollte. Er zuckte die Achseln. »Wenn Ihr meint«, sagte er und trat auf Anna Elisabeth zu, »dann gebe ich mich eben mit einem Tupfer auf die Wange zufrieden ... einstweilen!«
    Albrecht spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Er handelte ohne lange abzuwägen, zog Anna Elisabeth an sich, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie wild auf den Mund. Sie schien in seinen Armen zu erstarren. Doch ihre Lippen waren weich und nachgiebig und wehrten seinen Angriff nicht ab – im Gegenteil. Bebend öffneten sie sich, nahmen Albrechts Zärtlichkeiten willig, ja begierig entgegen und erwiderten sie sanft. Plötzlich, ganz unvermittelt, bog Anna Elisabeth den Kopf zur Seite und beendete den Kuss.
    Der Junker von Hinzheim war nicht dazwischengegangen, aber er hatte mit unverhohlen lüsternen Blicken zugesehen. »Nun«, fragte er Albrecht gespannt, »wie schmeckt sie?«
    Albrecht holte tief Luft, ließ Anna Elisabeth los und schob sie von sich weg. »Großer Gott, Hinzheim«, sagte er und zog eine Grimasse, »Ihr habt Euch ganz umsonst erregt. Die da – die würde Euch keinen Spaß machen. Sie hat mindestens drei Unzen rohen Knoblauch gegessen!«
    »Was?«, schnaufte der Junker von Hinzheim. »Bruder – dannkönnt Ihr sie behalten. Eine, die aus dem Hals stinkt, ist das Letzte, was ich mir für mein Vergnügen wünsche! Knoblauch ... Pfui Teufel!«
    Er brach in schallendes Gelächter aus. Albrecht spürte, wie die Anspannung wieder von ihm wich. »Geh wieder zu den Deinen, Mädchen«, befahl er Anna Elisabeth und schubste sie noch einmal. »Von mir kannst du keinen Tanz mehr erwarten. Du riechst wirklich allzu streng ...« Er wandte sich an den Junker von Hinzheim. »Wollt Ihr Euch erst nach einer Tänzerin umsehen, Herr Vetter – oder trinken wir einen Becher zusammen?«
    »Das Letztere«, erwiderte Hinzheim und enthüllte grinsend seine schadhaften Schneidezähne. »Ihr wisst doch, was für ein gottserbärmlicher Tänzer ich bin. Springen und Schreiten liegen mir nicht besonders.« Er machte eine obszöne Hüftbewegung. »Stöße sind mehr mein Fall!«
    »Später«, sagte Albrecht und zwinkerte dem Junker zu. »Der Wirt hat gutes Bier – man erkennt es an den vielen Säufern, die den Tresen belagern!«
    »Richtig – gesellen wir uns dazu«, gröhlte Hinzheim. »Geübt im Saufen sind wir allemal – was, Weißenstein?«
    Albrecht entgingen Hinzheims Bemerkungen. Sein Blick hing an Anna Elisabeths Gesicht, das kreidebleich geworden war. Sie starrte ihn an; ihr Mund formte Worte, die er gerade noch verstehen konnte: »Weißenstein ... Wolf von Weißen- stein! Ihr seid einer von denen?«
    Ihre Augen waren riesengroß. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Notgedrungen nickte er, öffnete den Mund, brachte es aber nicht fertig, etwas zu erwidern. Sie wandte den Blick nicht ab. Langsam, ganz langsam sammelten sich Tränen in ihren Augen.
    Hinzheim hatte es bemerkt. »Tja, mein Kind«, spottete er und verzog sein narbenzerfurchtes Gesicht zu einem neuen,bösartigen Grinsen, »das hättest du dir früher überlegen müssen, bevor du dem Knoblauch so übermäßig zugesprochen hast! Nun bist du deinen hübschen Tänzer los, und stechen wird er dich auch nicht. Oder legt Ihr doch noch Wert darauf, Weißenstein?«
    Er versetzte Albrecht einen derben Rippenstoß und gab noch einmal einen röhrenden Lacher von sich. Anna Elisabeth sagte nichts auf Hinzheims rüpelhafte Worte, sondern knickste nur und ging langsamen Schrittes zu Hannes Rebmann hinüber, der noch immer mit Christoph am Tresen stand.
    Albrecht senkte zutiefst beschämt den Kopf. Schmerz und Trauer, die deutlich in Anna Elisabeths Blick zu erkennen gewesen waren, trafen ihn mit umso größerer Gewalt. Er hielt den Junker von Hinzheim so lange am Tanzboden in ein Gespräch verwickelt, bis Anna Elisabeth und Rebmann den Saal verlassen hatten. Erst dann brachte er die Kraft auf, mit seinem Standesgenossen zum Tresen zu gehen und sich bis zur Besinnungslosigkeit voll laufen zu lassen.

 
     
     
     
     
    D urch den dichten Nebel, der die ganze Welt wie mit einem Leichentuch verhüllt hatte, schimmerte bleigrau der Spiegel des Mühlenteiches. Anna Elisabeth, die am Fenster stand und hinausschaute, fand es unmöglich, ihre Tränen zurückzuhalten. Drei Wochen lag das Erntefest jetzt schon zurück, und noch immer schmerzte unsäglich, was damals mit ihr geschehen

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