Blutiger Frühling
ausnehmen?«
»Ja, tu das nur«, sagte Anna Elisabeth. »Und vergrab den Abfall auf dem Mist.«
»Auch das Fell?« Er streichelte dem Hasen sacht über die Flanke. »Es ist ganz dicht und weich ... gäb einen schönen, warmen Muff für dich.«
»Auch das Fell«, erwiderte Anna Elisabeth, »so schade es drum ist.« Man durfte nicht riskieren, mit einem solchen Pelz erwischt zu werden. Die Knechte des Klostervogtes hatten scharfe Augen. »Wenn du fertig bist, bring mir das Fleisch wieder herein. Ich koch uns einen Hasenpfeffer. Hab gestern erst frisch gebacken – so was schmeckt gut mit neuem Brot.«
Hannes war schon wieder ganz der Alte. »Ich bring zum Essen noch den Quirin und den Simon mit«, sagte er augenzwinkernd im Hinausgehen, »wir haben was zu besprechen – unter Männern.«
Albrecht hatte einheizen lassen. Aber heute stand der Wind nicht günstig. Die ganze Wärme, die das mächtig ziehende Feuer entwickelte, wurde brausend durch den Kamin weggesaugt, ohne der Kemenate auch nur ein Minimum an kalter Feuchte zu nehmen.
Fröstelnd zog Albrecht seinen mit Wolfsfell gefütterten Mantel enger um den Hals und starrte den Funken nach, die aus den lodernden, krachenden Scheiten in dem Kamin hinaufwirbelten. So, wie dieses Feuer völlig nutzlos Holz verzehrte, so verzehrte ihn seine Sehnsucht – ganz ohne Sinn und Verstand. Denn auf dem Heimweg von dem unglückseligen Erntefest war ihm aufgegangen, dass er das Ziel seiner Sehnsucht niemals erreichen würde. Er verlangte ja nicht nur nach Annas Körper. Er liebte sie.
Was hatte er doch Christoph als Grund für die Fahrt zum Fest angegeben? Wir sind auf der Jagd, hatte er dem Jungen gesagt – auf der Jagd nach einem hübschen Mädchen. Genau das hatte er selbst auch geglaubt. Nicht einmal im Traum wäre er an jenem Tag darauf gekommen, dass er auf etwas anderes aus warals nur auf ein schnelles Liebesstündchen in irgendeinem Heuschober ...
Wie sie ihn angesehen hatte, nachdem sein wahrer Name durch Hinzheim verraten worden war – welche Verachtung aus ihrem Blick gesprochen hatte! Für alle Zeit hatte er in dieser Sekunde jede Glaubhaftigkeit verloren, durch bloßes Spiel des Zufalls. Er stand als Lügner und Betrüger vor ihr da – als adliger Schürzenjäger, der sich auf übelste Weise bei einem unbescholtenen Mädchen hatte einschmeicheln wollen und der ihr auch noch eine unverzeihliche Demütigung angetan hatte.
Wolf von Weißenstein. Wolf im Schafspelz. Dass er sie mit seinem beleidigenden Verhalten vor den dreisten Annäherungsversuchen des Junkers von Hinzheim bewahrt hatte, konnte nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden. Anna ahnte ja nicht, warum er sie mit einer so unverschämten Begründung von sich weggestoßen hatte. Dass Hinzheim ein notorischer Jungfernschänder war, konnte ihr kaum bekannt sein, denn ihr Dorf gehörte zur Abtei Kaltenbrunn, wo Hinzheim nichts verloren hatte.
Hinzheim. Albrecht knirschte mit den Zähnen. Morgen würde er mit diesem eitlen, überheblichen Raufbold, der weder Skrupel noch Gewissen kannte, auf die Jagd reiten. Hinzheim hatte sich selbst dazu eingeladen; Ablehnung wäre Beleidigung gewesen, und die zog unweigerlich eine Fehde nach sich.
Wenigstens würde die Jagdgesellschaft nicht nur aus solchen wie Hinzheim bestehen. Berlichingen hatte zugesagt, weil er sich just in der Gegend aufhielt, und der Götz sorgte immer für Spaß. Er und seine Männer würden schon keine schlechte Laune aufkommen lassen. Es würde eine lustige Hatz geben, und abends einen guten Braten, hinuntergespült mit reichlich Wein und Bier – der Keller war voll von Fässern aus dem Transportgut der Kaufleute, das sein guter Bernhard neulich erbeutet hatte. Sogar Gaukler würden ihre Kunststückchen zum Bestengeben – Fahrende, die Christoph an der Straße aufgegabelt hatte.
Albrecht drückte sich tiefer in die Polsterkissen des klobigen Lehnstuhls, in dem er saß, streckte die Beine noch näher an die glühenden Scheite und richtete den Blick zur Decke. Dieses Zimmer – einer der wenigen heizbaren Räume der Burg – hatte einmal seiner Mutter als Schlafkammer gedient. Die Farben, mit denen die dicht beieinander liegenden Deckenbalken samt ihren Konsolen bemalt waren, zeugten bis heute von ihr, denn sie selbst hatte zu ihren Lebzeiten die zierlichen Ranken, Blüten und Fabelwesen in Auftrag gegeben. Noch heute prangten sie in Ochsenblutrot, stumpfem Grün und strahlendem Gelb, als habe sie der Maler eben erst auf das
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