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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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du mich auch weiterhin Bruder nennen könntest?«
    Der Junge brauchte einen Augenblick, bis er den Sinn dieser Worte erfasst hatte. Dann starrte er Albrecht entgeistert an. »Ich ... ich weiß nicht ...«, stotterte er in völliger Verwirrung.
    »Ich will wissen, wie es dir gefallen würde, Christoph!«
    »Gut, Herr ... aber warum stellt Ihr ein solches Ansinnen? Ich meine ... wie komme ich dazu ...« Er brach seinen angefangenen Satz ab und verkrampfte die Hände ineinander. »Ihr müsst einen Grund haben, mich das zu fragen«, murmelte er. »Warum wollt Ihr, dass ich –«
    Albrecht hob die Hand und brachte Christoph mit dieser Geste zum Schweigen. »Weil du mein Bruder bist«, entledigte er sich hastig der Erklärung, die jetzt fällig war.
    Zuerst konnte der Junge nicht antworten. Der Mund stand ihm offen; Albrecht konnte erkennen, dass er völlig verwirrt und überfordert war. Die Bedeutung dessen, was sein Herr ihm eben eröffnet hatte, war ihm unbegreiflich, und er suchte hilflos nach Worten.
    Albrecht wurde bewusst, dass er schonender hätte vorgehen müssen. Christoph einfach mit dem Ungeheuerlichen zu überfallen – das war nicht der richtige Weg gewesen. Er stand auf und legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. In diesem Augenblick erhob sich auch Christoph. »Aber wie kommt Ihr darauf?«, fragte er tonlos. »Was Ihr da sagt, kann nicht sein. Meine Mutter war eine Stallmagd ...«
    »Und dein Vater?« Albrecht packte Christoph auch an der anderen Schulter und blickte ihm ins Gesicht. »Wer war dein Vater?«
    »Ich weiß es nicht«, gab der Junge zurück. »Es wird wohl einer von den Burgmannen gewesen sein. Niemand hat es mir je gesagt.«
    »Dann sage ich es dir.« Albrecht verstärkte seinen Griff. »Dein Vater war Eberhart Weißenstein.«
    Christoph schluckte. Wieder brauchte er eine Weile, bis er sich gefangen hatte. »Das glaube ich nicht«, antwortete er schließlich. »Und wenn es wirklich so wäre ... macht mich das schon zu Eurem Bruder?«
    Albrecht lachte. »Was sonst könntest du sein, da wir den gleichen Vater haben«, sagte er.
    »Aber der Altherr hat mich nie beachtet«, gab Christoph widerspenstig zurück. »Solange ich denken kann, hatte er keinen einzigen Blick für mich übrig – geschweige denn ein Wort. Wie ist es dann möglich, dass er –«
    »Hast du ihn denn nicht mehr in Erinnerung?«, fiel Albrecht ihm ins Wort. »Er war ein harter Mann – nicht nur zu dir. Selbst ich habe erst an seinem Totenbett von ihm erfahren, dass du sein Nachkomme bist.«
    Christoph schaute Albrecht zum ersten Mal voll in die Augen. »Ihr meint, niemand hat es gewusst außer ihm selbst?«, fragte er ungläubig.
    »Doch«, gab Albrecht zurück, »aber er hatte es allen beiStrafe verboten, darüber zu sprechen. Und du weißt, wie seine Strafen aussahen.«
    Christoph nickte. »Ihr sagtet es schon – er war ein harter Mann.«
    »Und jetzt ...« Albrecht hatte nicht vor, noch einmal ein Schweigen zuzulassen, »willst du mich nicht Bruder nennen und mich mit meinem Namen ansprechen?«
    Der Junge wandte den Blick nicht ab, aber seine Augen verrieten, dass ihm der Gedanke noch widerstrebte. Er schüttelte den Kopf. »Erst muss ich all das bedenken, was ich erfahren habe«, sagte er. »Gebt mir Zeit, Herr ...«
    »Aber du sagtest doch, es könnte dir gefallen ...«, begann Albrecht enttäuscht.
    Christoph versuchte ein winziges Lächeln. »Ja. Aber da wusste ich noch nicht, dass Ihr im Ernst spracht«, erwiderte er. »Nun stehen die Dinge anders. Und ich weiß nicht mehr, wie ich mich verhalten soll.«
    »Aber ich dachte ...«, setzte Albrecht noch einmal an.
    Diesmal war es Christoph, der ihn unterbrach. »Der Altherr ist schon vor vielen Wochen gestorben«, erwiderte er bedächtig, »und Ihr habt Euch mit Eurer Nachricht bis heute Zeit genommen. Seht, Herr ... ich fordere ja keine Monate, um auf Eure Frage zu antworten. Aber ich kann Euch erst morgen Bescheid geben, wie ich mich entschieden habe. Lasst Ihr mir diese eine Nacht Bedenkzeit?«
    Er hatte Recht. Albrecht ließ seine Schultern los. Dann fasste er sie noch einmal. »Du sollst sie haben«, sagte er überzeugt und ein wenig beschämt. »Denk nach, kleiner Bruder – ich will deine Antwort geduldig abwarten.«
    Anna Elisabeth sah sich bedrückt in der Stube um. Alles war sauber, der Fußboden gefegt, der Tisch weiß gescheuert und die kleinen Fenster blank geputzt – wie es sein musste am HeiligenAbend. Dennoch wirkte der Wohnraum trostlos und leer,

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