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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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Und sie war wehrlos ihren widerstreitenden Gefühlen ausgeliefert.
    Mit einer heftigen Bewegung drehte sie den Kopf nach vorn. Die alte Bäuerin, die rechts neben ihr kniete, widmete ihr einen unwilligen Blick. »Zu einem Schwatz ist hier nicht der rechte Ort, Mädchen«, wisperte sie und zog ein strenges Gesicht. »Was du mit deinen Freundinnen auszumachen hast, das verschiebe bis nach der Messe!«
    Anna nickte stumm. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, was die Nachbarin missdeutete. »Nun nimm meinen Tadel nicht so schwer, Kind«, setzte sie in begütigendem Flüsterton hinzu. »Halte dich nur an die guten Sitten.«
    Albrecht hatte jedes Wort der kurzen Unterhaltung verstanden und neigte sich noch tiefer über seine gefalteten Hände. Jede weitere Annäherung an Anna Elisabeth war jetzt unmöglich geworden, das war ihm bewusst. Er war zur Zurückhaltung verdammt, zumal ihm auch Christoph, der neben ihm kniete, warnende Blicke zuwarf. Die Messe nahm ihren Verlauf; es schien ihm ewig zu dauern, bis endlich der Pfarrer den Segen sprach und die Gemeinde entließ.
    Langsam strömten die Menschen aus der Kirche. Albrecht und Christoph hielten sich dicht bei Anna Elisabeth, die weit vorn ihren Platz gehabt hatte und darum jetzt zu den Letzten gehörte, die das Gotteshaus verließen. Schließlich ertrug Albrecht das Warten nicht länger. Er schob sich an Anna Elisabeth heran und flüsterte ihr zu: »Ich will eine Beichte ablegen ...«
    Sie nickte beinahe unmerklich. Anna Elisabeth ließ sich vom Strom der Gläubigen in Richtung der beiden Beichtstühle treiben, die zwischen den hintersten Pfeilern der kleinen Kirche aufgestellt waren. Dort wartete Albrecht schon. »Christoph lenkt den Priester ab«, hauchte er, »komm. Da drinnen können wir ungestört reden!«
    Anna Elisabeth fühlte sich schwindlig. Ohne nachzudenkenschlüpfte sie mit Albrecht in das letzte der zwei klobigen, hölzernen Gehäuse, und er schloss die schmale Tür. Dunkelheit umfing sie; Anna Elisabeth musste um Atem ringen, weil ihr Herz so sehr hämmerte. »Warum tust du das?«, stammelte sie tonlos, »warum machst du es uns so schwer?«
    Er konnte nicht antworten, jetzt noch nicht. Mit einer wilden Bewegung riss er sie in seine Arme und presste sie so hart an sich, dass sie einen kleinen Laut des Erschreckens ausstieß. Sein Kuss glühte auf ihren Lippen, verriet all sein heißes Verlangen. Anna Elisabeth erwiderte ihn mit inbrünstiger Verzweiflung.
    Lange Augenblicke vergingen, bis sie einander loslassen konnten. Anna Elisabeth flüsterte: »Du hättest nicht herkommen dürfen ... Du hattest es mir versprochen!«
    »Ich war ja auch voll guten Willens«, wisperte Albrecht zurück, »aber gegen das, was ich für dich empfinde, gibt es keine Gegenwehr, Liebste. Ich kann nicht von dir lassen, Anna. Nie mehr.«
    Sie weinte, er erkannte es an ihren zuckenden Schultern. »Aber wir können nie –«, begann sie mit rauer Stimme. »Liebst du mich?«, unterbrach er sie.
    »O, Albrecht ... !«
    »Liebst du mich?«
    »So sehr, dass es wehtut«, flüsterte sie, »aber –«
    »Dann hör zu!« Albrechts tonlos gehauchte Worte klangen dennoch fest und zielstrebig. »Ich werde uns einen Weg schaffen, den wir zusammen gehen können – vor Gott und den Menschen.«
    »Vor Gott und den Menschen?« Ihre Antwort war ein sehnsüchtiger Atemzug. »Das kann ja niemals sein, und du weißt es so gut wie ich ...«
    Er schüttelte den Kopf in der Dunkelheit. »Vertrau mir«, wisperte er.
    »Was willst du tun?«
    »Ich weiß es noch nicht genau«, flüsterte er, »aber es wird sich etwas finden. Vertrau mir ...«
    Diese Wiederholung hörte sich an, als wolle er sich selbst damit Mut machen. Anna Elisabeth schlang die Arme um seinen Nacken. »Eins ist gewiss«, antwortete sie nah an seinem Ohr, »ich bin unbeschreiblich glücklich, weil du dein Versprechen gebrochen hast, Liebster.«
    »Und ich werde es weiterhin tun«, gab er zurück, »am Dreikönigstag bin ich wieder hier, um die Beichte abzulegen ... und du, mein Herz, wirst sie mir abnehmen ...«
    Es klopfte zweimal kurz an der Tür des Beichtstuhls. Das Zeichen, das mit Christoph verabredet war. »Unsere Zeit ist um«, wisperte Albrecht mit einem schnellen Kuss auf Anna Elisabeths Lippen. »Du musst nun gehen, aber vergiss nicht –«
    »Am Dreikönigstag«, sie krallte die Finger in den Kragen seines Weibermantels. »Nie könnte ich das vergessen ...«
    Er öffnete die Tür des Beichtstuhls einen Spalt weit.

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