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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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sitzt auch einer im Loch, und aus ähnlichen Gründen.« Der Schmiedejörg, für seine Gewalttätigkeit wohlbekannt, grinste in sich hinein. »Endlich werden wir’s den Pfaffen zeigen – darauf hab ich schon lange gewartet ...«
    »Und wann schlagen wir los?«, wollte Hannes wissen. »Ich muss euch ja wohl nicht erklären, dass die Zeit drängt. Der Vater von der Annelies, der ist ein alter Mann und erträgt’ s kalte Wetter schlecht – wie alle alten Leut.«
    »Die vom Birkenhof meinten, Maria Lichtmess wär ein guter Tag, um’s dem Abt von Kaltenbrunn heimzuzahlen«, sagte der Schmiedejörg mit einem Blick auf seine schwieligen Fäuste, »aber ich mein, wir sollten das überdenken und schon zwei Wochen früher drangehen. Mich juckt’s in den Fingern ...«
    »Gemach, Jörg«, mischte sich der Matthias wieder in das Gespräch. »Wenn wir das Kloster belagern, sollten wir vollzähligsein. Der Abt hat fünfzig Bewaffnete. Wir müssen mindestens doppelt so viele Männer aufbieten, wenn wir gewinnen wollen!«
    »Ach was«, sagte Hannes unwillig, »zwei von denen sind so gut wie einer von uns. Diese faulen, voll gefressenen Klosterknechte rennen doch wie die Hasen, wenn es brenzlig wird.« Er grinste im Gedanken an die Episode neulich, als ein einzelner Mann vor seinen Augen drei von ihnen ganz allein in die Flucht geschlagen hatte. »Hab’s selbst gesehen ... hier in dieser Stube.«
    Anna Elisabeth wagte einen Einwurf. »Der Herr von Weißen- stein kennt sich mit Waffen aus, Hannes«, sagte sie vorsichtig. »Den kannst du nicht mit einem Bauern vergleichen, und –«
    »Der Herr von Weißenstein – Potz Teufel!« Hannes wurde brandrot im Gesicht. »Du redest ja gerade so, als sei er dein Herr, Annelies! Nein –«, er wandte sich an seine Nachbarn, »den kann man wirklich nicht mit einem Bauern in den gleichen Sack stecken, den armseligen Junker! Was der uns an Übung voraus hat, das machen wir allemal mit Kraft und Entschlossenheit wieder wett – oder etwa nicht, Brüder?«
    Die anderen nickten; besonders der Schmiedejörg und der Schweineheinz pflichteten ihm begeistert bei. »Das will ich meinen«, sagte der Schweineheinz und grinste breit, »wo ich hinschlage, da wächst lange kein Gras mehr. Und der Jörg ist ja wohl auch kein Schwächling!«
    »So einen wie den verhungerten Wolf von Weißenstein hau ich ungespitzt in den Boden«, grinste Jörg, »oder ich schmeiß ihn durch die Ruten – ganz, wie er will!«
    Gelächter war die Antwort darauf. Unwillkürlich warf Anna Elisabeth einen Blick auf die Bleiruten, mit denen die vielen kleinen, rechteckigen Glasscheiben der beiden Fensterchen in der Stube eingefasst waren. Da hindurch ...? Was für ein Gedanke! Sie holte tief Luft. »Bleibt in der Wirklichkeit«, sagte sie und musterte die Männer mit festem Blick. »Mit dem Herrn von Weißenstein solltet ihr euch nicht –«»Jetzt ist es genug, Annelies«, schnitt ihr Hannes zornig die Rede ab. »Ich kann den Namen dieses Junkers nicht mehr hören. Er steht doch für alles, was wir abschaffen wollen! Adel und Pfaffen gehören ausgerottet ... mit Stumpf und Stiel. Und das, was Adel und Pfaffen in ihren Kellern gehortet haben – das ist unser Hab und Gut. Wir haben es mit Blut und Schweiß mühsam erarbeitet und wollen es nicht mehr ohne Gegenleistung abgeben!«
    Anna Elisabeth verstummte. Hannes hatte ohne Zweifel Recht. Solange sie denken konnte, hatten sie und ihr Vater immer hart gearbeitet und dennoch für ihre Mühe meist nicht einmal das Nötigste zurückbehalten. Ganz gleich, ob die Ernte gut oder schlecht gewesen, das Vieh gesund geblieben war oder nicht – so gut wie immer hatten der vom Kloster geforderte Zehnte und Kleine Zehnte sämtliche Überschüsse aufgefressen, so dass gegen Ende des Winters regelmäßig gehungert werden musste. Währenddessen konnten sich die Mönche ein sanftes Leben leisten und hatten immer einen reich gedeckten Tisch. Bei denen gab es täglich Fleisch und fastentags Fisch oder fetten Biberbraten. Biber waren schon seit langem zur Fastenzeit erlaubt, weil sie Schwimmhäute zwischen den Zehen trugen und im Wasser lebten; seit bekannt geworden war, dass in warmen Ländern Fische vorkamen, die fliegen konnten, erwog der Abt von Kaltenbrunn sogar, ob er nicht auch Enten und Gänse zur Fastenspeise erklären sollte – der Abwechslung halber.
    Die wenigen Tage, an denen ein Bauer sich ein nennenswertes Stück Fleisch leisten konnte, waren an den Fingern einer Hand abzuzählen.

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