Blutiger Frühling
Christoph war mit dem Priester schon in dem anderen dunklen Gelass verschwunden. Der Junge würde sich kurz fassen, doch lange genug, um dem Paar Gelegenheit zum Verschwinden zu geben. Anna Elisabeth schlüpfte allein hinaus, denn vorn am Portal wartete Hannes Rebmann und blickte ihr verwundert entgegen. Erst als Albrecht sah, dass er mit Anna Elisabeth die Kirche verlassen hatte, tauchte auch er wieder aus dem Beichtstuhl hervor und wartete neben dem Pfeiler, bis Christoph mit seiner Beichte zum Ende gekommen war.
S o trostlos das Christfest auch ohne den Vater gewesen sein mochte – für Anna Elisabeth war es dennoch von Freude überglänzt gewesen. Hannes, der mit seiner Mutter am Weihnachtstag zum Essen gekommen war, konnte sich ihr Strahlen nicht recht erklären. Er schrieb es ihrer starken Natur zu und bewunderte sie dafür. »Du wirst mir eine gute Frau sein, Annelies«, sagte er, nachdem die einfache Gerstensuppe aufgegessen und die Schüssel abgeräumt worden war. »Ich hab’s schon immer gewusst.«
Anna Elisabeth nickte ihm zu. Aber was sie dachte, entsprach dem nicht. Wie konnte sie Hannes eine gute Frau werden, wenn ihr Herz einem anderen gehörte? Wortlos wusch sie die Bierbecher ab und stellte sie zurück auf das Wandbord. In diesem Augenblick klopfte es an die Tür.
»Erwartest du noch mehr Gäste?«, fragte Hannes’ Mutter. »Nein«, sagte Anna Elisabeth verwundert.
Hannes rief: »Herein!«, als sei er bereits der Herr in diesem Haus.
Sieben Männer, alle aus dem Dorf, betraten die Stube. Sie nahmen die Filzmützen ab, stampften sich den Schnee von den Stiefeln, grüßten mit stummem Kopfnicken. Matthias, der alsErster hereingekommen war, ergriff das Wort. »Wir sind hier, um die Sache mit deinem Vater zu beratschlagen, Annelies«, sagte er.
»Aber du weißt doch, dass er im Loch sitzt«, gab Anna Elisabeth zurück. »Wir müssen uns gedulden, bis der Vogt ihn wieder freilässt – so hart es auch ist. Alles andere wäre vergebene Mühe.«
Sie wischte sich über die Augen. Matthias widersprach. »Lass das unsere Sorge sein, Mädchen«, sagte er gelassen. »Wir Männer wollen nicht länger stillhalten. Darum sind wir hier – um zu bereden, was geschehen muss.«
Hannes winkte die Leute zu sich an den Tisch, während seine Mutter aufstand, ihr großes Umschlagtuch überwarf und sich verabschiedete. »Ich will nicht hören, was ihr besprecht«, sagte sie unwillig. »Ihr tut ja doch, was ihr wollt, ihr Jungen ... und auf uns Alte hört ihr nicht, auch wenn’s besser für euch wäre.«
Sie ging, obwohl Anna Elisabeth versuchte, sie zurückzuhalten. »Nein, nein, Kind«, sagte sie, als sie schon aus der Tür war, »ich meine es ernst. Lange genug habe ich mich jetzt schon über die aufrührerischen Reden geärgert, die unsere jungen Männer in letzter Zeit führen – am heiligen Weihnachtstag will ich meinen Frieden!«
Sonderbarerweise lächelte Hannes, als seine Mutter verschwunden war. »Sie versteht es nicht besser«, meinte er und machte eine abwertende Handbewegung. »Sie ist aus einer anderen Zeit ...«
»Unsere Eltern sind auch nicht anders«, sagte der Heinz, der sommers immer die Schweine hütete. »Sie schelten und geifern – als ob sie nicht auch leiden müssten unter der Willkür, die von dem verfluchten Pfaffenvogt ausgeht.«
Sie hockten sich alle auf die Bank am Tisch und steckten die Köpfe zusammen. »Alle fähigen Männer aus Brunnheim sind dabei«, setzte der Schweineheinz seine Rede fort. »Wie ist esmit denen aus Weidenbach, Matthias? Du warst doch da, oder?«
Matthias nickte. »Sie sind dabei«, sagte er.
»Die aus dem Birkenhof ebenfalls«, fügte der Schmiedejörg hinzu. »Ich hab’s von meinem Vetter, der da wohnt.«
Anna Elisabeth hatte bis jetzt schweigend vom Herd aus zugehört. Langsam beschlich sie ein ungemütliches Gefühl. Die genannten Dörfer gehörten alle zur Abtei und waren dem Abt von Kaltenbrunn tributpflichtig, genau wie die aus ihrem Dorf. »Was habt ihr vor?«, fragte Anna Elisabeth. »Welche Aufgabe erfordert so viele Männer?«
»Der Matthias sagte es ja schon«, erwiderte Hannes, »wir wollen uns die Schinderei nicht länger schmecken lassen. Diesmal wehren wir uns. Dein Vater hat’s nicht verdient, beim Klostervogt im Loch zu liegen.«
»Er hat nichts getan, weswegen er überhaupt gestraft werden sollte«, fügte der Schweineheinz hinzu. »Die aus den anderen Dörfern sehen es ebenso wie wir.«
»Aus dem Birkenhof
Weitere Kostenlose Bücher