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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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war. D – das war um ein Vielfaches leichter.
    Er zeichnete eine Faust mit emporgerecktem Daumen. E jetzt ... Elefant? Nein – Esel. Das Tier, das da auf dem Blatt zu sehen war, hatte erstaunlich lange Ohren. Albrecht musste leise lachen. Und der Fuchs für F – der sah eher wie ein Wolf aus. Viel zu hochbeinig. Aber vielleicht führte der überaus lang und buschig gezeichnete Schwanz Anna auf die richtige Fährte.
    Bei den folgenden Buchstaben würde er sich auf leicht darzustellende Gegenstände beschränken müssen ... seine Zeichenkünste ließen wahrlich viel zu wünschen übrig. G – für Gans. Aufpassen, dass die Gans nicht wie eine Ente aussah.
    Selbst eine Fibel für Anna Elisabeth zu zeichnen, damit sie sich im Lesen üben konnte – dieser Gedanke war ihm auf dem Heimritt gekommen. Eine Edelfrau hatte das Lesen und Schreiben zu beherrschen. Daran führte kein Weg vorbei. Edle Haltung und Eleganz würde seine Liebste nicht erst mühsam erlernen müssen. Beides war ihr angeboren.
    Er erinnerte sich an den Tanz auf der Michaelikirmes. Wie eine Feder war sie an seiner Seite geschwebt ... wenn er ehrlich war, so hatte er noch kein Edelfräulein kennen gelernt, das Anna, was Liebreiz und Anmut betraf, das Wasser reichen konnte.
    Die Gans war gut ausgefallen. Der Hund für das H sah ebenfalls ganz manierlich aus. Und der Igel für I verriet sich ja schon durch seine Stacheln. Das J dagegen machte wieder Schwierigkeiten.
    Nach langem Überlegen zeichnete Albrecht, so gut er es vermochte, einen Jäger mit Sauspieß und einem Stück Wild über der Schulter. Von neuem musste er über seine eigenen ungeschickten Versuche lachen. Der Kerl sah ja wie ein buckliger Waldschrat aus! Hoffentlich erkannte Anna, auf was er mit dieser Zeichnung hinausgewollt hatte.
    Das K war leicht. Kirsche. Er zeichnete ein Pärchen, verbunden an langen Stielen – Anna und Albrecht. Das L bot auch weiter keine Probleme. Liebe ... Lippen ...
    Nein. Lampe. Das war erheblich leichter darzustellen. Die Stalllaterne, die er neben den Buchstaben aufs Papier kritzelte, ähnelte ihrer eigenen – ein ungeschlachtes Ding aus Eisen mit einem Talglicht darin. Ganz genau konnte er sich ihre kleine Hand vorstellen, die den dicken Tragering umfasst hielt.
    Er legte die Feder hin und starrte aus dem Fenster. Noch zwei lange Wochen bis zum Dreikönigstag. Zwei lange Wochen des Wartens auf nur wenige kurze Augenblicke – Augenblicke, die schneller vorbei sein würden als ein Ave Maria.
    Albrecht seufzte. Glücklicher Bauerntölpel Rebmann, der täglich in Annas Nähe sein durfte und diesen Vorzug sicher kaum zu schätzen wusste. Wahrscheinlich betrachtete er sie einfach als sein versprochenes Eigentum ... aber das sollte ihm streitig gemacht werden!
    Albrecht stand auf und ging langsam zu der großen eichenen Stollentruhe hinüber, die am Fußende des Bettes stand. Diese Kiste, aus soliden Bohlen gezimmert und sparsam mit Kerbschnitzereien verziert, enthielt noch immer die Gewänder seiner Mutter – Kleidungsstücke, von denen er sich nie hatte trennen mögen, auch wenn er sie nicht mit einer Person verbinden konnte. Er klappte den Deckel auf. Ganz zuoberst lag ein Kleid aus grünem Samt, diesem dicken, weichen Seidenstoff, den er so besonders liebte. Er zog es hervor und legte es auf der Bettdecke aus. Es schimmerte kostbar, und das sanfte Rot des Futterswar noch kein bisschen verblichen. Vom Schnitt her war das Gewand etwas altmodisch; besonders die schmale Pelzverbrämung um den sehr tief gezogenen Ausschnitt entsprach nicht mehr dem heutigen Geschmack. Aber die feinen Goldstickereien am Mieder funkelten, als seien sie eben erst gefertigt worden, und der breite rote Gürtel mit der ziselierten Schnalle bildete immer noch einen prachtvollen Kontrast zu dem weichen Laubgrün des Gewandes.
    Ob es Anna passen würde? Denkbar war das schon – sie stand seiner früh verstorbenen Mutter an schlanker Schönheit in nichts nach, und auch in der Größe stimmten sie vielleicht überein. Aber sie würde lernen müssen, wie man sich in einem Schleppgewand fortbewegt ...
    Albrecht schob die Hand tiefer in die Truhe, tastete nach der kleinen Schatulle, die da irgendwo unter den anderen Kleidungsstücken sein musste. Da war sie schon. Er zog sie hervor und klappte den dachförmigen Deckel des silberbeschlagenen Kästchens auf. Der bescheidene Schmuck einer nicht sehr begüterten Edelfrau schimmerte ihm entgegen: einige kleine goldene Ringe, teils mit Steinen

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