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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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besetzt, eine schöne Goldkette mit einem Anhänger in Form eines Einhorns, eine Kette aus dicken, unregelmäßig geformten Perlen und ein dünnes Kettchen mit einer großen, tropfenförmigen Perle daran.
    Albrecht wählte ein zierliches Ringlein mit einem runden Rubin. Das sollte Anna bekommen am Dreikönigstag. Wie sie es unbemerkt tragen sollte, war ihm noch nicht ganz klar, aber sie würde schon einen Weg finden, klug wie sie war. Er faltete das prächtige grüne Gewand und ordnete es wieder sorgfältig auf den anderen Gewändern in der Truhe. Auch das Schmuckkästchen kam zurück an seinen Platz tief unter den Kleidungsstücken. Als er fertig war, warf Albrecht einen Blick auf das Bildnis seiner Mutter, das von der Wand gegenüber dem Fenster auf ihn niederschaute. Ernste hellblaue Augen betrachtetenihn nachdenklich ... Augen, die den seinen erstaunlich ähnlich waren. Um die feine, helle Haut der jungen Frau zu betonen, hatte ihr der Maler einen zarten weißen Schleier über das eng gelockte blonde Haar gelegt – einen Schleier, der ihren hohen Haaransatz spielerisch umgab. Schmuck war nicht nötig gewesen. Auf dem Bild trug sie das Gewand, das ihr Sohn noch vor Augenblicken auf dem Bett liegen gehabt hatte.
    Ein Mund mit schön geformten Lippen, ein festes Kinn, eine schlanke, regelmäßige Nase – all diese äußerlichen Attribute hatte sie ihm vererbt. Von seinem Vater kam nur das gelegentlich wüst aufbrausende Temperament und die Neigung, den Willen durchzusetzen ...
    »Ihr würdet meine Wahl gutheißen, Mutter«, murmelte er vor sich hin, »immer vorausgesetzt natürlich, dass sie ein junges Fräulein aus bester Familie ist. Und darum muss ich Sorge tragen, dass sie als Edle durchgeht ...«
    Das würde die nächste Aufgabe sein, die er zu lösen hatte: Anna Elisabeth irgendwie hierher zu holen und ihr all das beizubringen, was sie unbedingt können und wissen musste. Was, wenn er dazu keine Möglichkeit fand? Was, wenn sie dazu nicht bereit war?
    Es konnte ja sein, dass die Furcht vor dem Ungeheuerlichen, was er von ihr verlangen musste, ihre Liebe überwog. Vielleicht war sie doch schwächer, als er sie einschätzte, und traute sich nicht, ihm in eine für sie so fremde Welt zu folgen. Albrecht ballte die Fäuste, spürte, wie sein Blut heftiger durch seine Adern zu strömen begann. Ruhe, befahl er sich. Kommt Zeit, kommt Rat – und was dergleichen Altweibersprüche mehr sind!
    Er warf dem Bildnis seiner Mutter einen kämpferischen Blick zu. Dann machte er sich daran, seine Fibel zu vollenden. Wie kam er denn dazu, jetzt schon zu zweifeln – da er Anna Elisabeth noch nicht einmal seinen Plan dargelegt hatte!

D REIKÖNIGSTAG
    D ie kleine Kirche war jetzt leer – alle, die dem Gottesdienst beigewohnt hatten, waren inzwischen wieder gegangen.
    Albrecht, wieder in der Verkleidung der alten Frau, hatte sich hart in den Schatten eines Pfeilers gedrückt und versuchte seine Gedanken zu sammeln.
    Sie war nicht gekommen. Niemand aus ihrem Dorf war da gewesen. Aber es konnte nicht sein, dass er den Weg diesmal ganz umsonst unternommen hatte. Er musste Anna Elisabeth sehen. Zu sehr hatte er sich darauf gefreut, ihr nah zu sein – wenn auch nur für Augenblicke.
    Heute war er allein hier, ohne Christoph. Was zum Teufel sollte er jetzt tun? Langsam und mit tief gesenktem Kopf verließ auch er die Kirche. Der Pfarrer, ein schlaksiger junger Kerl mit weichlichen Gesichtszügen, schickte der sonderbaren, dick vermummten und ortsfremden Frau einen forschenden Blick nach.
    Seinen Falben hatte Albrecht in dem kleinen Wäldchen am Ausgang des Kirchdorfes versteckt. Das Pferd stand genauso da, wie er es verlassen hatte. Es begrüßte seinen Herrn mit einem freudigen Schnauben. »Was willst du mir damit sagen?«, brummelte Albrecht, während er seine Hand zärtlich über die weichen Nüstern seines Tieres gleiten ließ. »Wagen wir uns zu ihr – oder lassen wir’s bleiben?«
    Der Falbe schnaubte ein zweites Mal. Seine Atemwolke wehte ganz weiß in die klare, kalte Luft. »Recht hast du, mein Alter«, murmelte Albrecht, »so schnell sollten wir uns nicht irremachenlassen.« Er löste die Zügel von dem Ast, an den er das Pferd angebunden hatte, und kletterte in den Sattel. Eine Strecke weit führte der Weg zu ihrem Dorf durch den Wald. Das gab ihm Zeit genug, sich etwas einfallen zu lassen.
    Tief gesenkten Hauptes ritt Albrecht den verschneiten Karrenweg entlang, seinem Pferd die Wahl der Gangart und Geschwindigkeit

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