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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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überlassend. Zuerst bemerkte er darum die verhüllte Gestalt gar nicht, die ihm entgegenkam. Erst als er dicht an sie herangekommen war, wurde er ihrer gewahr und hielt sein Tier an.
    »Albrecht«, sagte die Vermummte, »Gott sei Dank, dass ich dich noch antreffe!«
    »Anna!« Indem er ihren Namen aussprach, war er schon aus dem Sattel geglitten und nahm sie in die Arme. »Wo warst du denn? Warum bist du nicht gekommen? Ich dachte schon ...«
    »Ich konnte nicht rechtzeitig weg«, fiel sie ihm in die Rede. »Zur Messe hat’s nicht mehr gereicht. Und da bin ich einfach –«
    Er unterbrach sie mit einem Kuss. Dann ließ er sie abrupt los. »Ich muss mit dir reden«, sagte er eindringlich. »Weißt du einen Ort, wo wir ungestört sein können?«
    Sie überlegte. Es hatte angefangen zu schneien; eine dicke, fedrige Schneeflocke setzte sich auf ihre Nasenspitze und schmolz langsam zu einem Wassertropfen. Er beobachtete das Schauspiel fasziniert. Weitere Flocken schwebten auf die dunklen Löckchen ihres Haaransatzes nieder und zerschmolzen ebenfalls ... wurden zu blitzenden kleinen Diamanten ...
    Albrecht konnte nicht anders, er musste sie noch einmal küssen. Sein Herz hämmerte. Ihre Lippen waren warm und weich und samten ...
    »Komm«, sagte Anna Elisabeth und machte sich von ihm los. »Es gibt eine Hütte, tiefer im Wald. Im Sommer haust der Köhler darin. Winters steht sie leer.«
    Albrecht saß wieder auf und ordnete die voluminösen Weiberröcke,in denen er steckte. »Wirst du diesmal mit mir reiten?«, fragte er mit einem augenzwinkernden Blick auf seine Verkleidung und streckte ihr die Hand entgegen. Anna Elisabeth nickte. »Es tut meinem guten Ruf keinen Abbruch, mit einer Frau zu Pferd zu sitzen«, erwiderte sie im gleichen neckenden Ton. Sie lachte leise, als sie sich von ihm vor sich aufs Pferd heben ließ.
    Das Innere der Köhlerhütte roch nach schimmligem Stroh und feuchtem Staub. Die zerfallende Herdstelle an der Stirnseite des kleinen, rechteckigen Raums war schon lange nicht mehr genutzt worden; aus der vor vielen Monaten erkalteten Asche des letzten Feuers waren sogar Pilze entsprossen, deren schwarze, vertrocknete Hüte schief aus dem Moder emporragten.
    »Himmel«, sagte Albrecht, »was für ein gemütliches Plätzchen!«
    Anna Elisabeth erwiderte seinen Blick mit Verlegenheit. »Ich wusste nicht, was uns hier erwartet«, stammelte sie, »aber warte nur – wenn aufgeräumt ist, sieht es sicher sehr viel besser aus. Ich mache erst einmal Feuer.«
    Albrecht riss seinen Blick mit Mühe von den Pilzen in der modrigen Feuerstelle los. »Das wirst du bleiben lassen«, sagte er, »denn diese Arbeit übernehme ich!«
    Er hatte den kleinen Stapel halb verrottetes Feuerholz entdeckt, der am Fuß der Feuerstelle lag. Anna Elisabeth lachte. »Das brennt nicht mehr«, sagte sie belustigt. »Das ist höchstens noch gut zum Anzünden. Wir werden wohl etwas Knüppelholz zusammensuchen müssen, wenn wir’s warm haben wollen ...«
    »Meinst du?«, fragte Albrecht. In dieser ungastlichen Behausung gab es nicht einmal einen Schemel, soweit er sehen konnte. Die einzige Möglichkeit, sich hinzusetzen, bot ein ungefüger Kasten mit einem großen, verrosteten Vorhängeschloss, das offensichtlich aufgebrochen worden war. »Wir könnten ja diealte Kiste auseinander schlagen und verbrennen«, fügte er hinzu. »Zum Aufbewahren taugt sie sowieso nicht mehr – das Schloss ist hin.«
    Anna Elisabeth war gerade dabei, mit Hilfe einer rostigen kleinen Schaufel die feuchte Asche von der Feuerstelle abzutragen. Sie ließ die erste Ladung in einen schadhaften hölzernen Kübel fallen und grub energisch weiter. »Und worauf sollen wir dann sitzen?«, gab sie zurück.
    Das leuchtete Albrecht ein. »Ich hole uns etwas Holz«, sagte er und ging nach draußen.
    Es dauerte beinahe eine Stunde, bis das Feuerchen endlich brannte. Anna Elisabeth und Albrecht saßen auf der alten Kiste vor dem Herd und wärmten sich die eiskalten Finger. Langsam, ganz langsam wurde es erträglich in der Köhlerhütte, und die klamme, dumpfig riechende Luft entwich mit dem Rauch des Feuers durch die Ritzen im Schindeldach. Albrecht hatte den Arm um Anna Elisabeths Schultern gelegt und sie eng an sich gezogen. Im Augenblick empfand er nichts als ein großes Gefühl des Glücks und der Zufriedenheit. Seine Lippen ruhten auf ihrer runden Stirn, seine Atemzüge kamen und gingen im Einklang mit ihren, und er wünschte sich nichts, als dass diese Momente der

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