Blutiger Frühling
fürs Erste gestillt ist, mögt Ihr Euch an die Arbeit machen. Und wenn Euer Entwurf fertig ist, verlangeich ihn zu sehen. Alsdann, sollte ich mich damit einverstanden erklären ...«
»Werde ich die Stammtafel auf ein Pergament übertragen und das Blatt so bearbeiten, dass niemand sein geringes Alter erkennen kann«, fiel ihm der Scholar in die Rede. »Das, lieber Herr von Weißenstein, habe ich schon zur Genüge praktiziert und beherrsche es deshalb in Perfektion.«
»Wisst Ihr, Heinrich, dass ich Euch mehr und mehr traue?«, meinte Albrecht und lächelte noch immer. »Ich glaube Euch tatsächlich inzwischen beinahe jede Eurer Behauptungen. Ist das nicht verwunderlich?«
»Wieso, Herr?« Heinrich fand das gar nicht. »Ich sage ja die Wahrheit. Nehmt mich beim Wort!«
»Und wie, wenn ich fragen darf, wollt Ihr aus einem neuen Pergament ein altes machen?«, erkundigte sich Albrecht mit einem belustigten Augenzwinkern.
Heinrich der Scholar kicherte wie ein kleiner Lateinschüler, dem es gelungen ist, seinem Mentor einen Streich zu spielen. »Nichts leichter als das«, sagte er, »ich nehme einfach die Dinge, die auch beim alten Pergament zu würdigem Aussehen geführt haben: Lampenruß, Fett, ganz gewöhnlichen Schmutz. Dazu walke ich das fertig beschriebene Blatt noch ein wenig an den Ecken, zerknicke es sanft, verschleiße es leicht mit meinen Fingernägeln ...«
»Euer Ruf ist berechtigt«, sagte Albrecht, inzwischen wieder ernst geworden. »Gebe Gott, dass Euer Werk meinen Zwecken dienlich sein und fördern kann, wozu ich es nutzen will. Ihr ahnt nicht, wie sehr mein Leben davon abhängt ...«
»Von einem falschen Stammbaum?«, fragte Heinrich erstaunt. »Aber Ihr sagtet doch, Ihr selbst hättet nichts zu fürchten ...«
Albrecht winkte ab. »Lasst gut sein, Heinrich. Ihr würdet kaum verstehen, was ich meine. Gebt Euer Bestes, Fälscher – hört Ihr? Ich will es Euch vergelten, so reich ich kann.«
Damit war der Scholar für den Augenblick entlassen. Er verneigte sich und wollte mit einen zögernden Gruß den Raum verlassen.
»Lasst Euch von der Beschließerin die Kammer über den Pferdeställen herrichten«, gab Albrecht ihm mit auf den Weg. »Da ist es warm – und solltet Ihr dennoch frieren, so hat der Raum einen kleinen Kamin. Ich gestatte Euch, so viel Holz zum Einheizen zu nehmen, wie Ihr braucht. Eure Nahrung bekommt Ihr in der Küche – oder, besser ... ich lade Euch ein, künftig mit mir zusammen die Mahlzeiten einzunehmen ...«
»Großen Dank, Herr«, murmelte Heinrich der Scholar, indem er plötzlich tief errötete. »Diese hohe Ehre hatte ich nicht erwartet – aber ich nehme sie gern an. Einstweilen wünsche ich Euch einen ruhigen Abend und eine erquickende Nacht ...«
»Auch Euch eine solche ...«, murmelte Albrecht, der in Gedanken längst woanders weilte. »Bis morgen zum Frühstück also, Fälscher ...«
Der Mann, der in Anna Elisabeths Wohnstube eingetreten war, ließ sich bereitwillig von Michel aus seinem tropfnassen Mantel helfen. Der Junge hängte das durchweichte und dreckverschmierte Kleidungsstück am Haken bei der Herdstelle auf und sah Anna Elisabeth fragend an. »Bier? Brot? Brei?«
Anna Elisabeth nickte und machte eine ungeduldige Handbewegung. Sie betrachtete den Fremden unauffällig aus dem Augenwinkel, während sie von neuem den Besen zur Hand nahm und fortfuhr, den Boden vor der Herdstelle zu kehren. Der Mann war breitschultrig und muskulös – der Umfang seiner Oberarme, die jetzt nach Ablegen des Mantels zu sehen waren, ließ darauf schließen, dass er oft schwere Lasten zu tragen hatte. Er mochte um die dreißig Jahre zählen, aber die tiefen Linien um seinen Mund erweckten den Eindruck eines höheren Alters und verrieten einen ziemlich ungeordneten Lebenswandel.
Michel hatte aus dem großen schwarzen Eisenkessel, der am Feuer stand, einen Napf mit Brei gefüllt und ein Stück Brot vom Laib abgeschnitten. Jetzt war er dabei, Bier in einen Tonbecher einzuschenken. Der Fremde hatte sich ohne lange Umstände an den Tisch gesetzt und nahm Speise und Trank wortlos von dem Jungen entgegen. Er tat einen großen Zug aus dem Becher, biss von dem Brot ab und wandte sich dann an Anna Elisabeth. »Wie lange noch, bis der Herr dieses Hauses heimkommt?«
Anna Elisabeth hielt mit Fegen inne und richtete den Blick auf den Mann. »Herrin dieses Hauses bin ich«, sagte sie nüchtern.
»Ja, ja«, erwiderte der Mann, »das sehe ich. Aber ich fragte nach dem Herrn.«
»Den
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