Blutiger Frühling
gibt es nicht.« Anna Elisabeth stellte den Besen an die Wand und musterte den Mann kühl. »Ihr müsst schon mit mir vorlieb nehmen.«
Einen Augenblick lang verzog der Vierschrötige keine Miene. Dann breitete sich ein Grinsen auf seinem grob geschnittenen Gesicht aus. »Ihr redet gerade so wie die Meine«, sagte er, »die hat auch Haare auf den Zähnen und lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen.« Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher. »Aber nun Scherz beiseite. Sagt mir, wann der Hannes Rebmann zurückkehrt.«
»Sobald Ihr mir verraten habt, wer Ihr seid«, erwiderte Anna Elisabeth frostig. »Ich kenne nicht einmal Euren Namen, geschweige denn, dass ich weiß, in welcher Sache Ihr den Hannes sprechen wollt. Ihr platzt hier einfach so herein, tut, als gehöre Euch das Haus und wollt mir befehlen. So haben wir nicht gewettet ...«
Der Fremde reckte die breiten Schultern. »Aber gemeldet worden ist Euch doch, dass ich kommen werde«, sagte er langsam und nicht ohne eine Spur von Verlegenheit. »Hat Euch der Bote denn meinen Namen nicht genannt?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Anna Elisabeth.
»Ich bin Konrad«, kam die schnelle Erklärung.
»Etwa ein Bote dieses Wirts, der überall von sich reden macht?«
»Eben desselbigen.«
»Und Ihr reist den ganzen Weg von Böckingen, nur um mit Hannes Rebmann zu sprechen?« Anna Elisabeth warf dem Fremden einen misstrauischen Blick zu. »Was wollt Ihr von ihm?«
»Er will was von mir«, sagte der Fremde und verzog spöttisch den Mund. »Aber es ist gehupft wie gesprungen ... wir brauchen einander.«
»Wozu?«, fragte Anna Elisabeth. Doch der Fremde kam nicht mehr dazu, Antwort zu geben, denn die Tür schwang auf und Hannes trat ein. Auf der Schulter trug er die Hellebarde, die er selbst aus einer Haue, einer Sense und einer Sichel geschmiedet hatte. Als er des Fremden ansichtig wurde, hellte sich seine Miene, die grimmig gewesen war, schlagartig auf. »Lange haben wir gewartet«, sagte er strahlend, »aber was lange währt, wird endlich gut. Willkommen, Konrad!«
»Ich sehe, du wappnest dich schon, Bruder!« Der Bote des Wirts von Böckingen sprang von seinem Sitz auf und trat Hannes mit lachendem Gesicht entgegen. »Es ist ja auch an dem, dass wir draufschlagen wollen – die großen Hansen haben uns lange genug genasführt.«
»Wohl wahr«, sagte Hannes. »Nach allem, was uns zugetragen wurde, wird seit dem vergangenen Herbst ohne Unterlass geredet und geredet. Nur, dass des Redens kein Ende ist, und dass die Herren nach wie vor auf die Zwölf Artikel spucken!«
»Nicht mehr lange«, knurrte Konrad. In seinen grauen Augen blitzte ein kalter Funke. »Die Menge der Bauern im Odenwald und Neckartal hat sich gerüstet und ist bereit, ihnen zum Tanz aufzuspielen, Bruder.«
Anna Elisabeth mischte sich ein. »Warum reist Ihr von Dorf zu Dorf und verbreitet überall Eure aufrührerischen Gedanken?«, fauchte sie den Boten des Wirts von Böckingen an. »Warum habt Ihr nicht Geduld und wartet auf den Ausgang der Verhandlungen? Der Kanzler von Hohenlohe, dieser Wendel Hipler, führt sie doch zurzeit –«
Sie unterbrach hastig ihren angefangenen Satz und presste die Hand auf den Mund. Hannes Rebmann und Jäcklein Rohrbachs Bote starrten sie verblüfft an. »Woher weißt denn das schon wieder, Annelies?«, wollte Hannes wissen.
»Hab’s gehört. Von dir selbst...« Anna Elisabeth wandte sich ab und machte sich bei der Herdstelle zu schaffen.
»Das kann nicht sein«, sagte Hannes. »Wenn du dabei warst, haben wir Männer nie darüber gesprochen.«
Er schämte sich offenbar vor diesem Konrad, dass er Männerdinge an eine Frau weitergegeben hatte. Anna Elisabeth überlegte blitzschnell. »Damals auf der Michaelikirmes«, sagte sie, »da war doch dieser Albrecht Hund. Und der erwähnte beim Tanz ...«
»Das ist ja sonderbar«, sagte Konrad, »dass einer beim Tanz mit einer jungen Frau den Wendel Hipler nennt.«
Hannes legte seinem Gast die Hand auf die Schulter. »Ich erinnere mich an diesen Kauz«, meinte er mit einem bedeutungsschweren Seitenblick auf Anna Elisabeth. »Der war mal bei meinem Schwiegervater selig zu Gast, und auch da hat er schon Reden geschwungen über das Recht des Christenmenschen und die Freiheit, die es zu erringen gilt.«
»Hund heißt der?« Jäcklein Rohrbachs Bote kratzte sich den dichten schwarzen Schopf. »Hab den Namen ehrlich gesagt noch nie gehört.«
Hannes lachte. »Aber du kannst doch auch nicht jeden
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