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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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drin, auf die die Beschreibung mehr oder weniger passen würde. Darum habe ich eine Vorauswahl für Sie getroffen. Wir nennen das Wahllichtbildvorlage. Und Sie sagen mir einfach, ob Sie einen von ihnen im Bus gesehen haben.«
    Er klickte von einem Bild zum nächsten. Sie zeigten die Gesichter der jugendlichen Delinquenten frontal, scharf ausgeleuchtet, eine richtige Verbrecherkartei. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Jungen von etwa sechzehn Jahren. Seine Nase war schief, als sei sie schon einmal gebrochen gewesen, sein Haar kurzgeschoren. Ein typischer kleiner Gangster, dem Leonie lieber nicht im Dunkeln begegnen würde.
    »Und was haben die verbrochen?«
    »Oh, sie sind wegen Prügeleien auffällig geworden, vielleicht auch wegen kleinen Diebstählen. Manche langweilen sich auch und begehen dann Sachbeschädigungen, schlagen Fenster ein und beklauen ihren alten Kindergarten. Und dann gibt es noch die Bandenmitglieder.« Er klickte weiter, von Foto zu Foto, von Schicksal zu Schicksal. »Zum Beispiel bei den Black Jackets. Sie haben von dem Überfall gehört?«
    Wer hatte das nicht. Die ganze Stadt hatte Anteil genommen, als Mitglieder der Gang im Hof der Waisenhofschule eine Gruppe Jugendlicher aufgemischt hatten und mit Baseballschlägern auf sie losgegangen waren. »Sie sind äußerst gewaltbereit.«
    »Einfach, weil die Leute nicht zu ihrer Clique gehören?«
    Keller nickte traurig. »Da ist natürlich auch in der Erziehung einiges schiefgelaufen. Wenn sie mich fragen, dann müssten auch unsere jungen Alis und Husseins mal von ihren Vätern richtig Kontra kriegen und sollten nicht immer wie kleine Paschas gehalten werden, denen die Mütter die Pantoffeln nachtragen.«
    Er klickte weiter. Jungen mit kurzen Haaren wechselten sich mit solchen mit modischen Ponyfrisuren ab. Der Ausdruck in den Augen zeigte Variationen von Traurigkeit, Trotz, Rebellion, Gleichgültigkeit. Das nächste Bild erschien. Leonie stockte der Atem. Da war er: Caravaggios Junge, Bacchus mit seinem dunklen Lockenschopf. Sie schluckte trocken. Ihr Hals war so rau wie Schmirgelpapier. »Und wer ist der?«
    Keller lachte leise. »Seinen Namen darf ich ihnen leider nicht nennen. Aber sie können sicher sein, dass er schon einiges auf dem Kerbholz hat.«
    Erschöpft ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen. »Und was hat er verbrochen?«
    »Er geht in Richtung jugendlicher Gewalttäter. Aber warum fragen Sie?« Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Saß er etwa im Bus?«
    Später konnte sich Leonie nicht erklären, warum sie den Fremden geschützt hatte. Vielleicht, weil er ihr geholfen hatte, vielleicht auch, weil sie den Handtaschenräuber nicht mit dem Jungen in Einklang bringen konnte, der Leander als seinen kleinen Bruder bezeichnet hatte. Vielleicht auch nur, weil er Caravaggios Bacchus so ähnlich sah.
    »Nein«, sagte sie, verabschiedete sich und verließ die Polizeidirektion.

9.
    Er parkte den Geländewagen in einer Seitenstraße unweit des Motorenwerks und stieg aus. Nur zur Sicherheit steckte er die Waffe in das Halfter unter seiner Joggingjacke und hielt sich in Richtung der Innenstadt von Untertürkheim. Der Besuch in der Pizzeria war Alltagsgeschäft, reine Routine, und die Kunden spurten normalerweise, ohne dass er auf seine Autorität pochen musste. Das war in Zuffenhausen anders gewesen. Er dachte an die beiden alten Leute, die die Konsequenzen für ihren Ungehorsam tragen mussten. Der Mord lag ihm nicht schwer auf der Seele. Er hatte das Notwendige getan, war der Vollstrecker gewesen, der Macher, der für den anderen kaltblütig den Laden sauber hielt. Und auf diese Rolle war er stolz. Die einen waren mit dem Willen zur Macht geboren, und die anderen mussten Gehorsam leisten, so hatte Gott die Welt gemacht.
    Er überquerte die geruhsame Geschäftsstraße des Stuttgarter Vororts und schlenderte gelassen den Hang hinauf. Für die Passanten sah er aus wie einer der jungen Faulenzer, die am Bahnhof chillten und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielten. Ihm war es recht so. Er kultivierte das Image des jugendlichen Kraftprotzes ohne Hirn, hinter dem er seine wahre Identität verstecken konnte.
    Casa Rosario. Das Mittagsgeschäft war eben vorüber, als er die Tür zu der kleinen Pizzeria knapp unterhalb der Weinhänge aufstieß. Pizza Margherita für fünf Euro. Nichts Spektakuläres, nur die Fischplatte war gut, die hatte er mit ein paar der anderen Jungs schon probiert. Aber jetzt wollte er nichts essen,

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