Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Schluck Kaffee. Als sie die Tasse abstellte, zitterten ihre Hände und ließen Porzellan auf Porzellan klirren.
»Signorina Hausmann hat mir vor zwei Jahren schon bei meinen Forschungen assistiert«, sagte Damiano in fließendem Deutsch mit jenem leichten italienischen Akzent, der ihr damals so unglaublich erotisch vorgekommen war. »Es wäre ideal, wenn wir hier zu einem ähnlichen Arrangement kommen würden.«
Leonie nickte. Das konnte sie sich vorstellen. Wie sie die nächste halbe Stunde hinter sich gebracht hatte, wusste sie später nicht mehr. Sie hatte nicht viel geredet, aber irgendwie jede Frage beantwortet und zu allem, was von der Seite der Professoren kam, ja gesagt. Ja, sie würde Seminare für Studenten im Bachelorstudiengang geben können. Ja, sie hatte Erfahrung mit den einschlägigen Computerprogrammen und kannte sich mit Datenbankrecherchen aus. Ja, sie sprach fließend Italienisch und konnte die italienische Malerei des Barock rauf und runter repetieren. Ja, für ihren kleinen Sohn sei gesorgt, auch, wenn er mal krank werden würde.
Als sie schließlich aufstand, drehte sich der Raum um sie herum. Sie verabschiedete sich freundlich von allen, drückte auch Damiano die Hand, ohne ihn anzusehen, und wandte sich zur Tür. Warum nur hatte sie dabei das Gefühl, dass die Wände auf sie zuschwankten?
Damiano passte sie im Flur vor den Institutsräumen ab, wo Trauben von Studenten auf den Vorlesungsbeginn warteten.
» Attenda , Leonie!« Er war ganz von selbst ins Italienische gefallen. »Du siehst bezaubernd aus. Bellissima! «
Von seinem weißen Hemd ging wie immer dieser sanfte Geruch nach After Shave und Rauch aus, der sie auch schon früher schwach gemacht hatte. Sie drehte sich um und schwieg ihn an.
»Ich möchte dich wiedersehen. Und ich möchte unseren Sohn sehen.«
»Unseren Sohn? Nein! Niemals!« Sie hatte einen klaren Schnitt gebraucht, Abstand zwischen Rom und ihrem Leben in der schwäbischen Provinz, um wieder zu sich selbst zu finden. Und diesen mühsam erkämpften Frieden würde sie sich nicht von Damiano kaputtmachen lassen, auch nicht, wenn er zu den besten Kunsthistorikern gehörte, die sie kannte.
»Bitte!«
Er stand mit hängenden Armen im Flur und hatte ganz anders als sonst die Dinge nicht im Griff. Leonie rang sich eine Antwort ab.
»In einer halben Stunde auf der Treppe neben dem Kunstmuseum.«
Ein Gespräch war sie ihm schuldig, denn schließlich hatte sie Rom ohne ein Wort verlassen und ihm ihre Schwangerschaft verschwiegen.
21.
Dreißig Minuten später saß sie hoch oben neben dem gläsernen Kunstkubus und schaute auf den Schlossplatz hinaus. Überall flanierende Passanten und volle Straßencafés. Leonie wandte ihre Augen zum Himmel und versuchte, ihre Tränen wegzublinzeln. Nie hätte sie geglaubt, dass sie eine Affäre mit einem verheirateten Professor beginnen würde, nicht bei ihrer Sozialisation. Ihr Vater war schließlich der hochanständige Hochschullehrer Gottfried Hausmann, der immer die Grenzen zu seinen Studentinnen gewahrt hatte.
Aber Damiano war anders gewesen, zuvorkommend, aufmerksam, als könne er ihre Gedanken lesen. Gleich beim ersten Besuch, der eigentlich nur der Besprechung ihrer Promotion dienen sollte, hatte er sie zu einer der kleinen Partys eingeladen, die er von Zeit zu Zeit für seine Studenten gab. Sie hatten sich in der Wohnung einer Kommilitonin an der Piazza Navona getroffen. Und Leonie war überwältigt gewesen, nicht nur, weil sie hier junge italienische Akademiker kennenlernte, mit denen sie sich auf Anhieb verstand, sondern auch von Damianos einfühlsamer Art. Sie spürte schon da, dass sein Blick häufiger auf ihr ruhte als auf den anderen Mädchen.
Eine Woche später hatte er sie nach Florenz eingeladen. Leonie hatte gedacht, dass es sich bei dem Besuch um eine offizielle Exkursion seiner Doktoranden handeln würde, doch als sie vom Zug auf den Florentiner Bahnsteig sprang, stand er alleine da. Unter seinem Blick war sie sich ihrer Aufmachung bewusst geworden, die sich seit ihrer Schulzeit kaum geändert hatte. Ein bodenlanger indischer Rock mit Glöckchen, Flipflops und eine bauchfreie Bluse, dazu eine gestreifte Umhängetasche. Als schwäbisches Landei auf Ökotrip konnte sie neben dem eleganten Italiener nicht bestehen. Und auch das hatte Damiano sofort begriffen und war mit ihr in den teuersten Läden einkaufen gegangen. Gemeinsam hatten sie dann Florenz erkundet. Er hatte ihr die Stadt und ihre Kunst bis ins Detail
Weitere Kostenlose Bücher