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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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übertrieben.
    »Wer bitte ist Chrissy 05?«, fragte sie.
    Camilla drehte sich um, und Leonie erkannte bestürzt, dass in ihren grauen Augen Mitleid stand. »Eine junge englische Studentin, Drittsemester. Sie müssten sie eigentlich kennen.« Natürlich kannte Leonie Christina, die zierliche Blonde aus Oxford, die in den letzten Vorlesungen so begeistert zugehört hatte, als würde Damiano das fünfte Evangelium verkünden. Ihre Anbetung für ihn hatte Leonie so manches Mal die Augen zum Himmel verdrehen lassen, aber dass da mehr lief, hatte sie nicht geahnt.
    »Es tut mir leid, Kindchen. Damiano braucht Bewunderung, Verehrung über alles. Er braucht das Gefühl, eine Persönlichkeit formen zu können. All das kann ich ihm wohl nicht mehr geben. Und Sie wohl auch nicht.«
    Camilla streifte sich die Handschuhe wieder über ihre Finger und wandte sich zur Tür. »Aber glauben Sie nicht, dass er seine Familie je verlassen würde, weder für Sie, noch für eine der anderen. Er liebt, wenn auch nicht mich, so doch die Mädchen über alles und ist ihnen ein guter Vater. Und er ist Italiener. Da lässt man sich in unseren Kreisen nicht so schnell scheiden.« Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss.
    Leonie ging kotzen, und dann heulte sie sich zwei Tage lang die Augen aus. Am dritten Tag packte sie ihre Koffer und fuhr mit dem Nachtzug zurück nach Deutschland.

    Ganz anders als sonst war Damiano pünktlich auf die Minute und stieg zielstrebig die ausladende Treppe hinauf. Sein perfektes Outfit entsprach seinem Stil. Zu dem weißen Hemd, das ihr schon beim Vorstellungsgespräch aufgefallen war, trug er einen schwarzen, leichten Sommeranzug aus Leinen. Seine Ray-Ban-Sonnenbrille hatte er hochgeschoben, und seine Schuhe, handgenäht in Florenz, waren frisch gewienert. In seinen Händen hielt er zwei Tüten Mövenpickeis.
    »Ein vollendeter Platz«, sagte er kaum außer Atem, drückte ihr eine Tüte in die Hand und setzte sich neben sie auf die Stufe.
    »Er bringt den städtischen Charakter zur Geltung, um den sich Stuttgart sonst vergeblich bemüht. Das Eis ist nicht italienisch, aber immerhin Schokolade, wie du es liebst.«
    Mit diesen kleinen Aufmerksamkeiten hatte er sie auch früher gern verwöhnt. Fast war sie ein bisschen gerührt, dass er sich daran erinnerte, wie gern sie Schokoladeneis aß. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass das alles nur eine Masche war. Sie wappnete sich, indem sie ihn mehrere Minuten lang anschwieg. Das Kribbeln im Bauch, das sie in seiner Gegenwart früher immer gespürt hatte, blieb aus, und sie spürte, wie seine Verlegenheit von Sekunde zu Sekunde wuchs. Das geschieht dir recht , dachte sie rachsüchtig. Eine Taube setzte sich auf die Treppenstufe unterhalb ihrer Füße und wartete darauf, dass etwas von den Eiswaffeln für sie abfiel. Am Hals schillerte ihr Gefieder in der kalten Palette einer Ölpfütze. »Ich verstehe dich, Leonie«, begann Damiano schließlich. Sie drehte sich überrascht um. Damit hatte sie nicht gerechnet. »Ich habe mich – abscheulich benommen. Sagt man so auf Deutsch?«
    Sie nickte grimmig.
    »Aber ich kann manchmal nicht – über meinen Schatten springen.«
    Leonie starrte ihn perplex an. »Und wie geht es Chrissy 05?«
    Damiano machte eine wegwerfende Gebärde mit der Hand, für die sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Nicht der Rede wert. Das ging nicht einmal drei Monate. Christina war zu jung für mich. Und zu oberflächlich. Typisch englische Oberschicht. Pferde, Hunde, die Jagd, Taschen und Tücher aus Paris. Sie hat mich nicht interessiert. Aber es hat mir das Herz gebrochen, dass du einfach so die Stadt verlassen hast. Nach allem, was zwischen uns war.«
    »Du hast uns das Herz gebrochen«, rief Leonie entrüstet. »Mir und deiner Frau Camilla.«
    »Jetzt bist du auch noch auf ihrer Seite«, sagte er traurig. »Und dabei hat sie gar kein Herz, das man brechen kann. Camilla ist mit den Mädchen ausgezogen, keinen Monat nach ihrem Besuch bei dir. Sie zieht es vor, ohne mich weiterzuleben, und für unsere Töchter haben wir ein Arrangement.«
    Vor zwei Jahren hätte sie sich über diese Nachricht gefreut, aber jetzt war sie gerade dabei, sich etwas Eigenes aufzubauen. Ohne ihn. »Und du hast seither …?«
    »Keine Geliebten mehr gehabt. Ich bin clean.«
    Etwas hatte ihn verändert, und das war sicher nicht die Tatsache, dass sie ihn verlassen hatte. Vielleicht war es der Auszug seiner Frau gewesen. Leonie sah einen Achtundvierzigjährigen in der

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