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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Verlegen löste sie sich und trat zurück. Alles an ihr war kalt, nur ihre Hand brannte von seiner Berührung. »Danke!«, sagte sie. »Ich bin manchmal etwas langsam im Reagieren.«
    »Ich nicht.«
    Dieser Akzent. Das kann nicht sein , dachte sie und schaute genauer hin. Er sah wirklich nicht aus wie ein Italiener, aber deutsch war er auch nicht. Vielleicht Kroate, Serbe, Grieche. Da waren blaugrüne Augen, die sie anlächelten, und regendunkle Haare. Sein T-Shirt machte sich nass auf seiner Brust auch nicht schlecht. Leonie hatte bis jetzt nicht gewusst, dass sie empfänglich für dergleichen war.
    »Wollen wir etwas Heißes trinken?«, fragte er, und seine Stimme wärmte sie auf. »Das können Sie gebrauchen. Mit Sommergrippe ist nicht zu spaßen.«
    »Glühwein?« Den würde es frühestens auf dem Weihnachtsmarkt geben. Verdammt! Wann würde sie es endlich schaffen, keinen Unsinn mehr zu reden, wenn ein Mann ihr gefiel? »Nein, danke. Ich muss nach Hause.«
    »Schade!«
    »Warten Sie! Ich könnte Ihnen meine Nummer geben.«
    »Das würden Sie tun?«
    »Na klar.« Sie kramte in ihrer Tasche. Zwischen ihren Bewerbungsunterlagen, Geldbörse, Tampons, Lipgloss und Leanders Schnuller lag der kleine Block. Der Reißverschluss hatte dem Platzregen wenig entgegenzusetzen gehabt. Alles war klamm, und das Papier sah aus, als wären Tränen darauf gefallen. Mühsam kritzelte Leonie ihre Handynummer auf die wellige Unterlage. Er faltete den Zettel sorgfältig und verstaute ihn in der Hosentasche seiner Jeans. Als sie sich die Sandalen über die Füße streifte, ruhten seine Augen noch immer auf ihr.
    »Gehen wir ein Stück!«, sagte er und griff nach ihrer Hand. Ein Schauder wanderte die Nervenbahnen bis zu ihrem Nacken hoch. »Wohin müssen Sie denn? Ich könnte sie begleiten.«
    »Zur Rathausgarage.«
    Es hatte zu regnen aufgehört, und der Schlossplatz begann unter einer weißen Sonne zu dampfen. Die Kellnerin des Cafés vor dem Königsbau wischte das Wasser von den Stühlen. Ohne Notwendigkeit gingen sie Hand in Hand. Sein Körper strahlte Hitze ab. Vor der Einfahrt der Rathausgarage zog er eine feuchte Visitenkarte aus seiner Jeans. »Ich würde Sie gern wiedersehen. Ich bin Koch. Kommen Sie doch in mein Restaurant! Das hier ist eine Einladung für ein Abendessen, in Begleitung, wenn Sie mögen.«
    Sein starker Arm legte sich um ihre Taille und drückte sie einen Moment lang. Später wusste sie nicht mehr, ob sie das nur geträumt hatte. Er ging drei Schritte, drehte sich noch einmal um. »La donna del fiume« , sagte er, winkte lässig und verschwand auf dem Rathausplatz in Richtung Breuninger. Leonie starrte ihm nach und hob das feuchte Stück Papier, das vor ihren Augen zerfiel. »Ristorante Sotto le Stelle. Römerstraße. Esslingen. Inh. Gianluca Battista.«

22.
    »Ej, Alter, was willst du hier?« Der dicke Junge ballte seine Fäuste und versteckte sie in den Taschen seiner Windjacke. Fast hätte Fabian geantwortet. »Ej, Kleiner, das geht dich gar nichts an«, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
    »Ich habe einen Termin mit Thomas Hertneck«, sagte er freundlich und wandte sich dem Eingang zu. Die Gewitterwolken verzogen sich langsam nach Osten und machten tropischer Schwüle Platz. Sein Empfangskomitee musterte ihn aus dunklen Augen.
    »Okay.«
    Wow, er hatte freien Eintritt und das ganz ohne Schutzgeld! Auch im Dunkeln wurde Fabian mit Bengeln wie diesem fertig, konnte sich aber vorstellen, dass manche Leute das anders sahen, vor allem, wenn ihnen mehrere von der Sorte gegenübertraten. Er hatte den hellblauen Saab an der Esslinger Burg geparkt und war den Hügel zu dem altehrwürdigen Gebäude hinaufgestiegen, das bis fast zur Mitte des 20. Jahrhunderts Esslingens jüdisches Waisenhaus gewesen war. Heute waren mehrere Einrichtungen der Jugendhilfe hier untergebracht, darunter das Heim, in dem Alessio die letzten Wochen vor seinem Verschwinden verbracht hatte. Links lag ein Sportfeld, auf dem mehrere halbwüchsige Jungs Basketball spielten. Als einer mit erstaunlicher Eleganz einen Korb warf, klatschten und johlten sie begeistert. Fabian öffnete die Tür, durchquerte einen langen Flur, in dem es nach verschwitzten Turnschuhen roch, und stand schließlich vor der Tür des Sozialpädagogen Thomas Hertneck.
    »Herein«, rief es auf sein Klopfen.
    Er trat ein und grüßte den bärtigen Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs. Er sah mehr wie ein Boxer als ein Heimerzieher aus, aber möglicherweise kam

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