Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
durch ihre Adern. Sie kannte den Mann nicht, wusste nicht, auf was sie sich einließ, aber ihr Körper hatte sich entschieden und wollte mehr davon.
»Schön, dass sie sich so schnell freimachen konnten«, sagte er. Seine Augen waren blaugrün, und seine Haare, die sie am Montag regennass und dunkel gesehen hatte, hatten blonde Lichter, als hätte er den Sommer irgendwo am Meer verbracht.
»Ja«, sagte sie unsicher. »Das ist meine Schwester Sybille Hausmann.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, sagte er und neigte den Kopf. »Und hier eine Auswahl an Desserts aus meiner Küche. Zuppa inglese alla napoletana, Coviglia di caffè, Grano dolce. Das erste kennen Sie wahrscheinlich. Die beiden letzteren kann ich übersetzen. Kaffeecreme aus Kampanien. Und Grano dolce ist süßer Weizen aus der Basilicata.«
38.
Das Restaurant leerte sich langsam. Leonie tunkte den Löffel genüsslich in ihre zweite Portion Zuppa Inglese und trank dazu einen weiteren Cappuccino. Schließlich, als alle Gäste gegangen waren, schloss Gianluca die Küchentür hinter sich und kam auf sie zu. Er hatte seine Kochuniform mit Jeans und einem blaukarierten Hemd getauscht und trug dazu eine schwarze Lederjacke. Sorgfältig löschte er die Lichter.
»Toll, dass Sie so lang gewartet haben. Wollen wir eine Runde spazieren gehen?«
Sybille, die am nächsten Morgen unterrichten musste, hatte sich bereits verabschiedet, nicht ohne Gianluca darauf festzunageln, Leonie später daheim abzusetzen. Sie traten vor die Tür, und Gianluca schloss ab. Als sie ihm nach draußen folgte, klopfte ihr das Herz bis in den Hals. Sie wusste nicht, was die Nacht bringen würde, fühlte sich wie eine Seiltänzerin, die ohne Netz in einer Zirkuskuppel balancierte.
Gianluca führte sie am Parkplatz vorbei auf den Wanderweg, der sich zwischen Feldern und Wiesen am Rande des Tals entlangzog. Der kiesige Untergrund war nass, Wind und Regen hatten im reifenden Korn eine Schneise hinterlassen. Leonie verfluchte ihre Pumps, die auf Dauer ziemlich drückten, und suchte nach Worten. »Sie haben einen ganz schön langen Tag hinter sich«, begann sie aufs Geratewohl.
»Das Schicksal eines Kochs. Um sechs muss ich wieder auf dem Großmarkt sein. Hat es Ihnen wenigstens geschmeckt?«
»Phantastisch!«, sagte sie. »Wenn ich noch einen Löffel von Ihrer Süßspeise esse, falle ich allerdings tot um.«
»Das wollen wir nicht hoffen«, lachte er.
Unten im Neckartal glänzten die Lichter und ließen die Weite ahnen, die sich bis zum Albaufstieg zog. Gen Westen ging das hell erleuchtete Industriegelände in die Außenbezirke der Landeshauptstadt über.
»Ihnen ist kalt«, stellte er fest und legte ihr seine Jacke um die Schultern. Als er sie berührte, spürte sie wieder diesen elektrischen Schlag. Er blieb abrupt stehen und schaute sie nachdenklich an.
Er legte seine Hände auf ihre Oberarme und ließ sie dann über ihren Rücken gleiten. Stark, fest und so warm, dass sie es durch das Seidenkleid hindurch spürte. »Ich finde Sie unglaublich begehrenswert. Und dabei hatte ich mich am Montag zuerst nur darüber gewundert, dass Sie barfuß unterwegs waren.«
»Komplett unbequeme Sandalen«, sagte sie und lachte leise. »Sie gehören meiner Schwester.« Ihr Körper genoss die Wärme, die von ihm ausging. Als er sie küsste, war es eine logische Konsequenz dieses Moments. Der Kuss trug beide davon und nahm ihnen alle Hemmungen. Fast wäre sie gestolpert, als er sie gegen den Feldrain drängte und seine Hände über ihren Körper glitten. »Entschuldigung«, sagte er aufgewühlt. »Was müssen Sie nur von mir denken?«
»Es gab schon lange niemanden mehr.«
»So wie bei mir. Aber jetzt erzähl mir von dir!«
Ehrlich währt am längsten, dachte sie und holte tief Luft. »Ich heiße Leonie Hausmann, bin Kunsthistorikerin, wohne wieder zu Hause bei meinem Vater und habe einen fast einjährigen Sohn. Leander.«
»Leandro«, sagte er und schaute sie nachdenklich an. Sofort drängte sich das Bild Alessios in ihr Bewusstsein, über das sich wie ein Abziehbild eine Fotografie Damianos legte. Einen italienischen Lover hatte sie eigentlich nicht mehr gewollt.
»Und ich suche keinen Vater für ihn. Ich suche nicht einmal eine feste Beziehung. Im Gegenteil, kurz bevor ich dich getroffen habe, ist mir Leanders Vater über den Weg gelaufen, den ich seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er war der Letzte, dem ich begegnen wollte.«
»Und was passiert ist – zwischen uns?«
»Das
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