Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
haben wir es hier mit einem Nachwuchskiller in Ausbildung zu tun. Was hat er da gemacht? Seine Gesellenprüfung?«
Keller tastete sich langsam vor. »Interessieren würde mich vor allem das Motiv. Ein Raubmord scheidet aus. Die Rolex war noch an Ölnhausens Arm, und ein Einbruch wurde nicht festgestellt, obwohl es zweifellos was zu holen gab. Und da Ölnhausen seit zwanzig Jahren geschieden ist und Milena nicht mehr in Frage kommt, kann es wohl auch keine Beziehungstat gewesen sein.«
Fabian pfiff leise durch die Zähne. »Eine Hinrichtung.«
Keller nickte verbissen. »Mich würde interessieren, ob die Auftraggeber aus dem Rotlichtmilieu kommen.«
In der nächsten halben Stunde herrschte konzentrierte Stille. Sie arbeiteten sich in die Notizen ihrer Kollegen rund um Ölnhausens Baufirma ein, aus deren aktiver Leitung er vor drei Jahren ausgestiegen war.
»Ölnhausen war ein Pensionär mit besonderen Vorlieben«, stellte Fabian schließlich fest. »Frauen und Luxus. Beides nicht zu knapp.«
»Und irgendwann im Verlauf seines langen Lebens ist er jemandem auf die Füße getreten«, fügte Keller hinzu. »Einem Zeitgenossen, der sich das nicht gefallen ließ.«
Er schob die Ausdrucke zusammen und legte sie auf einem Stapel ab. »Ich schlage vor, dass wir den Geschäftsführer verhören und Ölnhausens Exfrau einbestellen, die in Baden Baden lebt. Das können die Kollegen machen. Außerdem sollten wir Milenas Club einen Besuch abstatten.«
»Den wir nicht kennen«, fügte Fabian hinzu.
»Noch nicht«, sagte Keller. »Aber das lässt sich ändern.«
Fabian stand auf und trat ans Fenster, über das sich lange Regenschlieren zogen. Ganz kurz dachte er daran, Leonie anzurufen. Wie schön wäre es, sie heute Abend zu treffen. Vielleicht könnten sie einen Spaziergang machen oder essen gehen. Aber was wäre, wenn sie ihn eiskalt abblitzen ließ? Unschlüssig wog er das Handy in der Hand. In diesem Moment klingelte sein Festnetztelefon und nahm ihm die Entscheidung ab.
»Polizeidirektion Esslingen, Grundmann«, meldete er sich.
»Kommissar Grundmann? Hier Staller von der Bildzeitung.« Die Stimme war leicht heiser, als würde ihr Besitzer zu viel rauchen und sich die journalistische Arbeit hin und wieder durch einen Grappa versüßen. »Ich habe klingeln hören, dass es im Fall Ölnhausen Neuigkeiten gibt.«
Fabian blieb einen Moment lang die Spucke weg. Er deckte den Hörer mit der Hand ab und raunte Keller das Wort »Presse« zu, der grimmig nickte und »Abwimmeln« flüsterte.
»Stimmt es, dass der Fall gar nicht geklärt ist, weil diese russische Nutte sich entlastet hat?«
»Dazu kann ich noch nichts sagen. Sie werden die Aussagen unserer Pressesprecherin abwarten müssen.«
»Ach kommen Sie, Herr Grundmann«, drängelte die Stimme am anderen Ende. »Die Ausgangslage hat sich doch geändert. Etwas werden Sie schon weitergeben können.«
»Nein, Herr Staller«, wiederholte Fabian standhaft. »Unsere Pressesprecherin bereitet eine Erklärung vor, die alle Details beinhalten wird.«
Als leidenschaftlicher Vertreter seines Berufsstands bohrte Staller weiter. »Stimmt es, dass Sie komplett im Dunkeln tappen?«
Fabian ballte seine linke Faust und hatte plötzlich eine Pistole mit Schalldämpfer vor Augen, deren Abzug er langsam und genüsslich durchdrückte. »Herr Staller, ich kann mich nur wiederholen. Warten Sie bitte die offizielle Erklärung ab!«, sagte er mit mühsam unterdrücktem Zorn und knallte den Hörer auf die Station.
Keller setzte sich zurück, legte seine Lesebrille auf den Tisch und rieb sich die Augen. »Ich kenne Staller«, sagte er. »Die kleine, bissige Presseratte weiß, dass sie mich gar nicht mehr anzurufen braucht. Mal schauen, was morgen in seinem Käseblatt steht.«
36.
»Es ist so romantisch. Ein richtiges Abenteuer.« Sybille saß mit Leander auf dem Schoß auf Leonies Bettrand. Am unteren Ende lag der Mops, schnarchte leise und sabberte auf die zurückgeschlagene Tagesdecke.
»Was denn?«, fragte Leonie und pinselte sich perlmuttfarbenen Nagellack auf ihre Zehennägel. Zwischen ihren Zehen steckten Wattebäusche, nach denen Leander wieder und wieder grabschte. Um seinen Fingern zu entgehen, rutschte sie ein Stück zur Seite.
»Alles. Seit Sonntag spannst du mich in Liebesdingen auf die Folter.«
Leander rutschte von Sybilles Schoß und hangelte sich am Bettrand zielbewusst in Richtung des Nagellackfläschchens.
»Es ist doch gar nichts.« Leonie rettete das Fläschchen,
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