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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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und hatte die Hände in die Taschen seines hellen Trenchcoats gesteckt. Niemand sonst war in der Redaktion. Ein großer Schluck Kaffee schwappte auf den Boden und auf ihre weißen Stoffturnschuhe.
    »Wie sind Sie hier hereingekommen?«, fragte sie heiser und stellte den Becher auf dem Kopierer ab. Er sah nicht wie ein Mafioso aus, eher wie ein Bankmanager. Unter dem Mantel trug er einen hellgrauen Anzug mit blauer Krawatte. Seine schütteren Haare waren blond und akribisch gescheitelt. Aber wie stellte sie sich diese Mafiosi eigentlich vor? Mit schwarzen Anzügen und Geigenkästen unterm Arm?
    »Unten war nicht abgeschlossen«, sagte er. »Und die Tür zu ihrer Redaktion ließ sich bemerkenswert leicht öffnen.«
    Er trat einen Schritt näher und Sabine einen Schritt zurück. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Der Mann hob beschwichtigend die Hände. »Keine Angst! Ich tue Ihnen nichts. Jedenfalls, solange sie die Regeln beachten. Regeln sind doch immer wichtig. Oder nicht?«
    Sie blieb stehen und spürte, wie ihre Hände eiskalt wurden. Niemand außer ihr und dem Fremden war im Haus. Auch die Druckerei im Erdgeschoss war samstags geschlossen. »Wollen Sie mir nicht einen Kaffee anbieten?«, schlug der Mann vor.
    Sie nickte und ging ihm voran in die Küche, wo sie eine Tasse füllte und vor ihm abstellte. »Milch und Zucker?«, fragte sie automatisch.
    »Nein, danke.« Der Fremde trank einen Schluck und taxierte sie dann.
    »Respekt!«, sagte er. »Sie haben Mut.«
    »Was wollen Sie?«
    »Sie beobachten, nichts sonst.«
    Sie machte eine Geste, die alles einschloss, das Graffiti an der Treppenhauswand, den Beton, der die Tür verbogen hatte und ihre Angst. »Sie sind also für diese Schweinereien verantwortlich?«
    Er zuckte die Schultern. »Einige von uns stehen auf große Gesten. Das ist was für die Youngsters und Romantiker. Aber ich gebe zu, der Beton war nicht sehr geschmackvoll.«
    »Dann stimmt es also wirklich?«
    »Was?«, fragte er verwundert.
    »Dass Sie von der Mafia sind?«
    »Mit dem Begriff würde ich vorsichtig sein«, sagte er und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Damit kann man in Teufels Küche kommen. Und er ist so wenig präzise.«
    Sie lachte. »So verflochten, wie alles mittlerweile ist.«
    Er sah sie an. »Viele unserer Aktivitäten sind völlig legal. Ich zum Beispiel bin Geschäftsführer in einem Massageclub.« Seine Augen waren rotgerändert, und auf seinem eingefallenen Gesicht lag ein Bartschatten. Er stand sichtlich unter Stress. »Was hat Massimo Ihnen gesagt?«, fragte er dann.
    Sabines Gedanken begannen zu rasen, und plötzlich hatte sie die zentrale Tatsache begriffen. Massimo war zwar nicht mehr dazu gekommen, sie mit weiteren Informationen zu versorgen, aber ihr Besucher durchschaute das nicht. Er hielt sie für klüger als sie war, denn das Einzige, was sie sicher wusste, war der Name von Massimos Mörder. Wenn sie es richtig anstellte, hatte sie ihn genauso in der Hand wie er sie.
    »Das werde ich Ihnen nicht verraten«, sagte sie leise.
    Er ging so lautlos, wie er gekommen war. Sabine setzte sich in ihr Büro und legte die Finger auf die Tastatur. Sie zitterten so heftig, dass sie kaum ein Wort schreiben konnte. Trotzdem stand da plötzlich eine Überschrift. »Kainsmal.« Wenn das nicht den Nagel auf den Kopf traf! Darunter setzte sie trotzig eine Frage: »Was wusste Massimo Girolamo?« Sie würde sich nicht einschüchtern lassen.

44.
    Als Laura Cortese die Tür zu ihrer Mettinger Wohnung aufschloss, hörte sie das Festnetztelefon klingeln. Sie zog den Stecker aus der Wand, stellte die Tasche mit den Einkäufen auf den Küchentisch und suchte die beiden Briefe heraus, die sie ungeöffnet in den Papierkorb warf. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie vergessen, dass Giorgio sie mit dem Kopf an die Kante des Schranks geschleudert hatte.
    Gestern war sie in ihre Wohnung zurückgekehrt, die unverändert war, ordentlich aufgeräumt bis auf die zwei Tassen, die auf dem Wohnzimmertisch standen mit ihrem dunklen, körnigen Kaffeesatz. Alessio war hier gewesen. Immer, wenn sie seinen Namen dachte, spürte sie, wie es ihr das Herz zerriss. Sie hatte sich mit dem Tod an einen Spieltisch gesetzt, mit höchstem Einsatz um ihn gewürfelt und verloren. Niemand konnte ihn retten. Mein kleiner Sohn ist ein Mafioso, dachte sie.
    Sie hatte dem Arzt nicht die Wahrheit gesagt. Sonst hätte er sie nie nach Hause gelassen, nicht einmal für die knappe Woche zwischen den beiden

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