Blutiger Segen: Der 1. SEAN DOYLE Thriller (German Edition)
seinen Geruchssinn und glotzte einfach nur fassungslos.
Er wollte den Kopf schütteln, eine Geste mit den Händen beschreiben, doch es schien, als sei jeder Muskel in seinem Körper erstarrt.
34
Callahan hatte die halbe Treppe erklommen, als er das Telefon erneut klingeln hörte.
Er rief nach oben, dass er selbst an den Apparat gehen wollte. Laura sollte den Hörer nicht abnehmen. Er ging zum Anschluss in einem der Nebenräume und hielt sich mit leicht zitternder Hand den Hörer ans Ohr.
»Hallo?«
In der Leitung knisterte und rauschte es.
»Wer ist da?«, wiederholte Callahan, bemüht, das Beben in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Callahan«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Ich bin’s. Lausard.«
Callahan schluckte. Der Klammergriff um den Hörer entspannte sich.
»Was wollen Sie?«
»Ich habe da vielleicht was für Sie.«
»Und zwar?«
»Es passt sehr schön in Ihre Sammlung«, meinte der Franzose.
»Hören Sie auf, um den heißen Brei herumzureden, und sagen Sie mir, was es ist«, zeterte Callahan. »Ich bezahle Sie nicht fürs Herumalbern.«
»Ein Buntglasfenster.«
Callahan schwieg.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«, wiederholte Lausard. »Wahrscheinlich von Gilles de Rais persönlich in Auftrag gegeben.«
»Wer weiß sonst noch davon?«
Lausard erklärte die Situation mit Channing und Catherine Roberts.
»Ich will es haben, Lausard. Haben Sie verstanden? Komme, was da wolle, ich will es haben.«
»Es wird Sie einen Haufen Geld kosten.«
»Mir ist völlig egal, was es kostet, ich will es haben.« In seiner Stimme lag eiserne Entschlossenheit. »Wir kommen nach Frankreich, so schnell wir können.« Er legte auf.
Callahan lächelte in sich hinein.
Gilles de Rais.
Der Mann hatte über 200 Kinder ermordet, viele davon in der Kirche bei Machecoul. Ritualmorde, überwiegend an Kindern zwischen vier und zehn Jahren verübt. De Rais hatte man als Ketzer am Pfahl verbrannt. Wieder lächelte Callahan. Er ging die Treppe hinauf zum Schlafzimmer, wo Laura nackt auf dem Bett lag und in einer Illustrierten las.
»Lausard hat etwas in der Kirche bei Machecoul gefunden«, sagte er leise.
Sie sah ihn an.
»Hat es mit de Rais zu tun?«
Er nickte.
»Machecoul.« Sie sprach den Namen leise aus, mit etwas, das an Ehrerbietung grenzte.
Vor vielen Jahren waren sie dort gewesen. So, wie sie unzählige andere Stätten auf der ganzen Welt besuchten, an denen sich Morde und manchmal auch Schlimmeres ereignet hatte. Sie besuchten, fotografierten und studierten diese Orte.
Ihr Interesse hatte sie weit herumkommen lassen, und sie hatten ehemalige Tatorte inspiziert und sich auf bedrückende Atmosphären eingelassen, die andere bewusst mieden.
Auschwitz.
Bergen-Belsen.
10050 Cielo Drive in Los Angeles, Schauplatz der Ritualmorde an Sharon Tate und vier weiteren Personen durch die Manson-Familie.
Der Dealey Plaza in Dallas. (Sie stellten sich genau an die Stelle, an der sich der Wagen im Moment des Attentats auf Präsident Kennedy befunden hatte.)
Saddleworth Moor in Yorkshire. (Laura hatte die Tatsache erregt, dass sie möglicherweise tatsächlich auf dem Grab eines der Opfer von Ian Brady und Myra Hindley stand.)
Die deutsche Botschaft in Stockholm, auf die von der Baader-Meinhof-Gruppe ein Bombenanschlag verübt worden war.
Cranley Gardens, Muswell Hill, London. (Sie hatten einen Blick in das Haus werfen wollen, in dem Denis Nilsen seine Opfer getötet und verstümmelt hatte, waren aber abgewiesen worden. Trotzdem hatte Laura reichlich Fotos von der Fassade geschossen.)
Jeffrey Manor, Chicago. (Richard Speck hatte dort in einer Nacht des Wahnsinns acht Krankenschwestern getötet.)
Buhre Avenue, New York City. (David Berkowitz, als »Son of Sam« bekannt, erschoss dort seine ersten Opfer.)
Eine schier endlose Liste. Sie reisten durch die Welt, um diese Wonnen zu kosten, und hatten Andenken mitgebracht, wo immer es ihnen gelang. Drähte aus Auschwitz. Rasen von Saddleworth Moor. Pflastersteine von der Buhre Avenue. Normalerweise begnügten sie sich jedoch mit Fotos. Sie bewahrten Hunderte in einem der Zimmer in der Nähe ihres Schlafzimmers auf. Wie in einem Schrein.
Laura saß oft allein dort und starrte die Wände an, von Momentaufnahmen des Todes und des Schmerzes umgeben, dabei oft von einer unerträglichen Erregung erfüllt.
Sex in diesem Raum – kaum zu übertreffen.
Lust ohne jegliches Maß, ohnegleichen.
»Wie viele hat de Rais getötet?«, fragte sie, während eine Hand
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