Blutiger Spessart
studierte Papiere. Als er die Uniformierten eintreten sah, kniff er überrascht die Augen zusammen. Polizisten in jeglicher Ausführung waren ihm verständlicherweise zurzeit ein Gräuel.
»Ja?«, fragte er knapp.
Der Streifenführer zückte ein Notizbuch, dann erklärte er: »Wir suchen den Halter des Kennzeichens MSP RE 010. Nach den Unterlagen handelt es sich dabei um Ricardo Emolino. In seiner Wohnung war er nicht anzutreffen. Man sagte uns, er wäre der Geschäftsführer dieses Ladens und wir könnten ihn hier antreffen.«
»Was wollen Sie von meinem Sohn?«, fragte Don Emolino misstrauisch.
»Wir haben einen Hinweis von einem Landwirt aus Partenstein erhalten. Er teilte uns mit, dass auf einem Verbindungsweg zwischen Wiesthal und Partenstein ein Ferrari liegen geblieben ist. Wir haben die Angelegenheit vor Ort überprüft und Ricardo Emolino als Halter ermittelt. Das Fahrzeug lag im Straßengraben. Mit der Frontpartie ist es gegen einen gefällten Baumstamm gefahren und war nicht mehr fahrtüchtig. Der Wagen war nicht abgeschlossen. Vom Fahrer weit und breit keine Spur. Wir müssen überprüfen, was da vorgefallen ist. Wissen Sie, wo sich Ihr Sohn aufhält?«
Durch Emolinos Gehirn rasten die Gedanken. Was hatte der verdammte Bursche jetzt schon wieder angestellt? Laut sagte er, wobei er sich um einen verbindlicheren Tonfall bemühte: »Es tut mir leid, aber ich habe ihn heute auch noch nicht gesehen.«
»Der Wagen muss dort auf jeden Fall weg«, fuhr der Streifenführer fort. »Werden Sie sich darum kümmern? Ansonsten müssten wir das Abschleppen anordnen.«
Don Emolino erhob sich. »Das müssen Sie nicht. Ich werde das erledigen lassen.« Dann quälte er sich noch ein »Vielen Dank für Ihre Mühe« ab.
»Wenn Ihr Sohn sich meldet, sagen Sie ihm bitte, dass er auf der Polizeidienststelle Gemünden vorsprechen soll. Wir müssen über den Vorfall ein Protokoll aufnehmen.« Der Beamte griff sich an den Schirm seiner Uniformmütze, dann wandte er sich wieder zur Tür.
Emolino sah den beiden nach, wie sie draußen in ihren Streifenwagen stiegen und losfuhren.
Kaum waren sie außer Sichtweite, fiel die Beherrschung schlagartig von Emolino ab.
»Dieser verdammte Junge«, schimpfte er. Wahrscheinlich hatte er sich wieder auf irgendeinem Dorffest herumgetrieben und dabei zu viel getrunken. Vermutlich lag er noch im Bett irgendeiner Dorfschönen und schlief seinen Rausch aus.
Das musste unbedingt anders werden. Der Emolino-Klan stand im Augenblick im Fokus der Polizei. Jeder zusätzliche Kontakt mit Ermittlungsbehörden war absolut überflüssig. Er griff zum Telefon und rief Trospanini an. Diese Sache musste schleunigst bereinigt werden. Und das möglichst geräuschlos und ohne Aufsehen.
Trospanini versprach, umgehend den Ferrari abholen zu lassen und bei dieser Gelegenheit auch nach dem Aufenthalt von Ricardo zu forschen.
Am späten Nachmittag erschien der neu eingesetzte Consigliere bei seinem Paten. Don Emolino war mittlerweile in sein Haus zurückgekehrt. Trospaninis Miene war etwas angespannt.
»Don Emolino, den Wagen haben wir schnell gefunden. Er stand in einem Waldstück im Graben. Er ist vorne ziemlich schlimm ramponiert. Wir haben ihn gleich in eine Werkstatt schleppen lassen. Von Ricardo war da allerdings keine Spur. Zu Hause in seiner Wohnung in Gemünden ist er auch nicht, das habe ich zuerst überprüft. Fredo war allein eingesperrt und hat vor lauter Langeweile die halbe Wohnung zerlegt. Offenbar war er schon länger nicht mehr draußen gewesen, denn es war alles voller Hundekot. Ich habe ihn sicherheitshalber mitgenommen. Dann habe ich mich etwas umgehört. Auf einer Waldlichtung bei Partenstein hat der dortige Schützenverein gestern ein Fest gefeiert, gar nicht weit von der Unfallstelle entfernt. Ich habe am Festplatz ein paar Burschen gefunden, die gerade beim Abbau mithalfen. Sie bestätigten mir, dass Ricardo tatsächlich auf dem Fest war und dort versucht hat, ein Mädchen anzusprechen. Seine Bemühungen müssen aber auf keine Gegenliebe gestoßen sein. Die Kerle sagten, dass er ziemlich viel getrunken hat und irgendwann mit seinem Wagen über den Wirtschaftsweg, auf dem man den Ferrari dann gefunden hat, davongefahren ist. Dieser Weg wird offenbar gerne von Einheimischen benutzt, wenn sie zu viel getrunken haben und nicht von der Polizei erwischt werden wollen.
Den Spuren nach hat Ricardo wahrscheinlich die Kontrolle über den Wagen verloren und ist in den Straßengraben
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