Blutiger Spessart
gegen Emolino.«
»Mein Gott, Armin«, erwiderte Kerner, »ich habe gestern ein paar Cognacs getrunken, weil ich nicht einschlafen konnte. Das wird doch mal gestattet sein.«
»Einmal, sicher. Meinetwegen auch zweimal, aber dann musst du dich wieder im Griff haben. Das organisierte Verbrechen gestattet uns keine Schwächen.«
Kerner hatte sich erhoben und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Mach dir keine Gedanken. Das vergeht schon wieder.« Er griff sich eine Akte mit rotem Aktendeckel und schlug sie auf, dann sah er seinen Vorgesetzten fragend an.
»Okay, Simon«, sagte Rothemund, der den kleinen Wink verstanden hatte und sich erhob. »Dann frohes Schaffen.«
An der Türe zögerte er kurz. »Vergiss bitte nicht, mir zu sagen, wie du dich in dieser Bewerbungsangelegenheit für Gemünden entschieden hast. Wir müssen das Ministerium rechtzeitig informieren, damit sie einen anderen Kandidaten zum Zuge kommen lassen. Glaub mir, wir haben alle unsere Krisen durchlebt. Das bleibt, wenn man an der Front gegen das Kapitalverbrechen kämpft, nicht aus. Man überwindet das, und dann geht es mit frischen Kräften weiter.« Er winkte und verließ den Raum.
Kerner ließ sich mit einem Stöhnen in den Bürosessel zurückfallen. Rothemund hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Das Bombenattentat war schon lange von dem anderen traumatischen Ereignis verdrängt worden. Immer wieder stand vor seinem geistigen Auge das Bild des blutüberströmten Körpers auf, der vor ihm im Gras lag.
Steffi hatte ihn gestern Abend besucht und eigentlich vorgehabt, bei ihm zu übernachten. Selbstverständlich hatte sie sofort gemerkt, dass ihr Freund ungewöhnlich nervös und gereizt war. Als ihre vorsichtigen Versuche, mit ihm ein Gespräch zu beginnen, an seiner Wortkargheit scheiterten, war sie irgendwann wieder gegangen. Sie spürte, dass er allein sein wollte. Es bedrückte sie zwar, dass er sich ihr nicht anvertrauen wollte, aber sie wusste, sich zu öffnen war noch nie seine Stärke gewesen. Sie war verständnisvoll genug, um das im Augenblick so hinzunehmen. Irgendwann würde er schon mit ihr sprechen.
Lange hatte Kerner in der Nacht kein Auge zugemacht, bis er schließlich zur Flasche gegriffen und sich mehrere doppelte Cognacs genehmigt hatte. Seine Hoffnung, damit die schlimmen Bilder vertreiben zu können, die ihm den Schlaf raubten, ging aber leider nicht in Erfüllung. Irgendwann war er dann schließlich doch auf der Couch vor dem flimmernden Fernseher in einen unruhigen Schlaf gefallen, der von quälenden Träumen durchsetzt war.
Später als gewohnt war Kerner mit einem schrecklichen Brummschädel aufgewacht. Statt des Frühstücks hatte er sich zwei Kopfschmerztabletten eingeworfen. Nach einer Dusche und einem starken Kaffee war er dann ins Büro gefahren.
Der Oberstaatsanwalt zwang sich zur Konzentration auf seine Arbeit. Die Beschäftigung mit den zahlreichen Ermittlungsverfahren, die sich in Form roter Akten auf seinem Schreibtisch häuften, lenkte ihn etwas ab. Ihm war klar, dass er die Sache mit der Bewerbung nach Gemünden nicht länger hinauszögern konnte. Er musste jetzt eine Entscheidung treffen.
Da läutete das Telefon. Brunner war am Apparat.
»Hallo Simon. Ich wollte dich nur über die neuesten Entwicklungen im Hause Emolino informieren. Irgendetwas scheint da im Busch zu sein. Wir lassen auch Emolinos neue rechte Hand, diesen Michelangelo Trospanini, sporadisch überwachen. Er war mehrmals bei Emolinos Sohn Ricardo in der Wohnung. Das ist insofern merkwürdig, weil auch zwei Streifenbeamte der Verkehrspolizei bei Ricardo Emolino waren, ihn in seiner Wohnung aber nicht angetroffen haben. Sie wollten ihn wegen des Unfalls sprechen. Die beiden haben es dann im Eiscafé versucht. Dort war er auch nicht, nur der Don. Sie haben den Alten aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Ricardo auf die Wache kommt, damit er eine Aussage zum Unfallhergang macht. Er ist aber bis jetzt nicht aufgetaucht. Ich vermute, dass der Bursche den Unfall im betrunkenen Zustand gebaut hat und jetzt um seinen Führerschein bangt. Wie mir die Kollegen sagten, ist die Stelle, wo er in den Graben fuhr, nicht besonders gefährlich. Vermutlich wollte er verhindern, dass man bei ihm Alkohol feststellt, und ist deshalb irgendwo untergetaucht.«
»Das ist natürlich denkbar«, gab Kerner knapp zurück, um zumindest irgendetwas zu sagen. »Aber für unsere Ermittlungen gegen den Paten bringt das ja nichts.«
»Das stimmt natürlich«, gab
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